Das 2. Wort

Warlich warlich ich sage dir: Heut wirstu mit mir im Paradeiß seyn

[153] Der ich die Warheit bin / dazu der Weg'und Leben /

zu und im Paradeiß / ich sage gnädigst dir:

daß / ob du mich und dich schon hangen siehst allhier /

du in demselben doch / sampt mir / heut noch solst schweben.

Der / der es selber ist / kan ja das Leben geben!

kein Gott-noch Lebens-Krafft spürstu zwar jetzt an mir:

denn / als ein Würmlein / ich erwirb die Himmels-Zier;

mein tieffste Nidrigkeit kan Himmel-an erheben.

Wer Gottes Kind / und mir ein treuer Knecht / will seyn /

der muß mein Creutz nit nur bloß lieben / sondern tragen /

und durch den Bach am Weg zum Himmel gehen ein.

An denen hab ich nur mein Lust und wolbehagen /

die mir / wie du / am Creutz / auch wider allen Schein /

vertrauen. Daß du würdst erlöß't / ließ ich mich schlagen.

Quelle:
Catharina Regina von Greiffenberg: Geistliche Sonnette, Nürnberg 1662, S. 153-154.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Geistliche Sonnette, Lieder und Gedichte
Geistliche Sonnette, Lieder und Gedichte