Das andre:

Des Vorhangs im Tempel Zerreissung

[162] Was soll ich weiter lang das Heiligste verhüllen?

hängt es doch ganz entblöst vor aller Welt allhier.

Daß allerheiligst' Herz brennt todte von Begier /

recht zuentdecken sich / zu zeigen Gottes Willen.

Das Gott-vereinigt Blut / läst eher sich nit stillen /

bis es ganz ausgeschütt und halb verwässert schier.

Ach diesen weichet erst des Gnaden-Stuhles Zier.

Seht / hier den Sinn-entwurff / und dort das Werk-erfüllen!

die Göttliche Geheim / mit Dunkelheit verhängt

in manchem lebens-Bild der Vätter und Propheten /

in wahre Klarheits-Sonn' ist aus dem Schatten tretten.

Ihr' Vnverberglichkeit hat mich nun auch zersprängt /

reist alle Vorhäng weg der Falschheit / zeigt im Herzen

daß Heiligst Christi Blut / und wahrer Reue Schmerzen.

Quelle:
Catharina Regina von Greiffenberg: Geistliche Sonnette, Nürnberg 1662, S. 162-163.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Geistliche Sonnette, Lieder und Gedichte
Geistliche Sonnette, Lieder und Gedichte