6. Andacht-Bereitung / zur Betrachtung des H. Leidens Christi: Als ich die Französische Astree beyseit gelegt

[264] 1.

Weg / Eytelkeit!

du must bey seit /

der Andacht Platz zu machen;

daß das Sünd-entschlummert Herz

mög zu Gott erwachen.


2.

Weg / Scherz und Spiel!

jetzt ist mein Ziel

auf Christi Creutz gerichtet:

weil sein unerhörte Lieb

mich dazu verpflichtet!


3.

Weg / Zier und Pracht!

Schmuck / gute Nacht!

ich will den Sack anziehen /

und der Laster Uppigkeit

durch die Buße fliehen.
[265]

4.

Astrea schön!

ich laß dich stehn:

den Seelen-Hirt zu lieben.

Er / der rechte Celadon /

ist beständig blieben.


5.

Am Bach Kidron /

vor dem Lignon /

will ich mich jetzt begeben:

weil an ihm sein Leben ende

meines Lebens Leben.


6.

Sein Creutz ist nun

Liebs-Warheit Brunn:

wo wird mit Freud erblicket /

wie der schönste Gottes Sohn

ist mit Lieb verstricket.


7.

Der Leuen Grimm /

durch seine Stimm /

er sterbend macht zu steinen:

auf daß könt' / an seinem Blut /

Gottes Lieb erscheinen.
[266]

8.

Ich schreib mit Fug:

es ist genug!

Gott ist nunmehr vergnüget.

Zeit ists / daß auf seinen Schmerz

er mit Freuden sieget.


9.

Du Königs Sohn /

Roseleon!

bist auch in Lieb gefangen!

an deins Wortes Degen- Spitz'

alle Reich' auch bangen.


10.

Liebhaber / weicht!

dann keiner gleicht

dem Herren Christ / im lieben.

Alles ist ein kühles Thau /

was von euch geschrieben.


11.

Nun komm / mein Schatz!

du hast schon Platz:

mein Herz gehört dir eigen.

In mir muß jetzund die Welt /

dich zu hören / schweigen.

Quelle:
Catharina Regina von Greiffenberg: Geistliche Sonnette, Nürnberg 1662, S. 264-267.
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