[36] 48. Die sechs Diener.

(Aus dem Paderbörn.) Münchhausen hat auch dieses Märchen, das hier ungleich besser ist, in seinen lügenhaften Reisen benutzt (London d.i. Göttingen 1788. S. 84 ff.) Man vergleiche das Volksbuch von der pommerschen Kunigunde und das Märchen von den sechs Söhnen und ihren Künsten im Pentamerone. Auch Thor mit seinem Diener Thialfi gehört hierher; so wie die große Mahlzeit an die Riesen- Gastmähler in den altdänischen Liedern erinnert, wo auch die Braut ganze Ochsen verzehrt und aus Tonnen dazu trinkt.

In einer hessischen Erzählung aus der Schwalmgegend kommen einige ähnliche Personen vor, aber die Fabel ist verschieden und unbedeutender. Der Horcher, der Laufer, einer der alles umbläst und ein Starker kommen zusammen in Gesellschaft.[36] Der Laufer holt das Wildpret, der Bläser jagt mit seinem Wind die Leute aus den Dörfern, oder bläst sie durch die Schornsteine hinaus und nimmt dann, was sich im Haus findet: Brot, Fleisch, Eier; der Starke trägts fort und der Horcher muß acht geben, ob Husaren hinter drein kommen. Sie gehen auf eine Zeit an des Königs Hof, die Königstochter ist krank und kann nur durch ein Kraut geheilt werden, das hundert Meilen weit vom Königreich wächst und in 24 Stunden muß herbeigeschafft seyn. Es wird bekannt gemacht, daß derjenige, welcher es holt, so viel Schätze haben soll, als er verlangt. Die vier Gesellen geben sich dazu an, die Aerzte beschreiben das Kraut genau und der Laufer macht sich auf den Weg. Er bringts auch vor der bestimmten Zeit und die Princessin wird gesund. Darauf fragt der König, wie viel Geld er verlange. »So viel als mein Bruder (der Starke) tragen kann.« Der König denkt, der ist noch bescheiden und sagt ja. Der Starke aber macht sich einen ungeheuren Sack, rafft alles Gold in der Schatzkammer auf und sagt, das sey noch zu wenig. Der König muß erst vier, dann acht Wagen voll anders woher kommen lassen, als er noch mehr geben soll, sagt er: »ich habe nichts mehr in meinem ganzen Reich–« »Wenns nicht anders ist, so mags gut seyn« sagt der Starke und geht mit dem Reichthum ab. Als die vier Gesellen fort sind, ärgert den König das viele Geld, das er dahin gegeben und schickt ein Regiment Husaren nach, die sollen es wieder abnehmen. Der Horcher aber hört's, der Laufer sieht, obs wahr ist, der Bläser läßt sie heranrücken und bläst sie in die Luft, so daß keiner mehr zu hören noch zu sehen ist. Darnach theilen sie sich ins Geld und leben vergnügt bis an ihr Ende.

Quelle:
Jacob und Wilhelm Grimm: Kinder- und Hausmärchen. 2 Bände, Band 2, Berlin 1812/15, S. XXXVI36-XXXVII37.
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