Das sechsundzwanzigste Kapitel.

[68] Simplex hat von den Soldaten vernommen,

Wie sie einander schön heißen willkommen.


Als ich nun vermeinete, ich hätte Ursache zu zweifeln, ob ich unter Christen wäre oder nicht, gieng ich zu dem Pfarrer und erzählte alles, was ich gehöret und gesehen, auch was ich vor Gedanken hatte, nämlich daß ich die Leute nur vor Spötter Christi und seines Worts und keine Christen hielte, mit Bitte, er wolle mir doch aus dem Traum helfen, damit ich wisse, wovor ich meine Nebenmenschen halten sollte. Der Pfarrer antwortete:[68] »Freilich sind sie Christen, und wollte ich dir nicht raten, daß du sie anderst nennen solltest.« – »Mein Gott!« sagte ich, »wie kann es sein? dann wann ich einem oder dem andern seinen Fehler, den er wider Gott begehet, verweise und guter Meinung zu Gemüt führe, so werde ich verspottet und ausgelacht.« – »Dessen verwundere dich nicht!« antwortete der Pfarrer; »ich glaube, wann unsere erste fromme Christen, die zu Christi Zeiten gelebt, ja die Aposteln selbst anjetzo auferstehen und in die Welt kommen sollten, daß sie mit dir eine gleiche Frage tun und endlich auch so wohl als du von jedermänniglich vor Narren gehalten würden. Das, was du bisher siehest und hörest, ist eine gemeine Sache und nur Kinderspiel gegen demjenigen, das sonsten so heimlich als öffentlich und mit Gewalt wider Gott und den Menschen vorgehet und in der Welt verübet wird. Aber laß dich das nicht ärgern! Du wirst wenig Christen finden, wie Herr Samuel sel. einer gewesen ist.«

Indem als wir so miteinander redeten, führet man etliche, so vom Gegenteil waren gefangen worden, übern Platz, welches unsern Diskurs zerstörete. Weil wir die Gefangene auch beschaueten, da vernahm ich eine Unsinnigkeit, dergleichen ich mir nicht hätte dörfen träumen lassen. Es war aber eine neue Mode, einander zu grüßen und zu bewillkommen, dann einer von unsrer Garnison, welcher hiebevor dem Kaiser auch gedienet hatte, kannte einen von den Gefangenen; zu dem gieng er, gab ihm die Hand, druckte jenem die seinige vor lauter Freude und Treuherzigkeit und sagte: »Daß dich der Hagel erschlage (altteutsch), lebst du auch noch, Bruder? Potz Fickerment, wie führt uns der Teufel hier zusammen! Ich habe, schlag mich der Donner, vorlängst gemeint, du wärst gehängt worden!« Darauf antwortete der ander: »Potz Blitz, Bruder! bist dus, oder bist dus nicht? Daß dich der Teufel hole! wie bist du hieher kommen? Ich hätte mein Lebtag nicht gemeint, daß ich dich wieder antreffen würde, sondern habe gedacht, der Teufel hätte dich vorlängst hingeführet.« Und als sie wieder voneinander giengen, sagte einer zum andern anstatt behüte dich Gott: »Strick zu! Strick zu! morgen kommen wir vielleicht zusammen, dann wollen wir brav miteinander saufen und uns exzellent lustig machen.«

»Ist das nicht ein schöner gottseliger Willkomm?« sagte ich zum Pfarrer; »sind das nicht herrliche christliche Wünsche? haben diese nicht einen heiligen Vorsatz auf den morgenden Tag? wer wollte sie vor Christen erkennen oder ihnen ohn Erstaunen zuhören? wann sie einander aus christlicher Liebe so zusprechen, wie wird es dann hergehen, wann sie miteinander zanken? Herr[69] Pfarrer, wann dies Schäflein Christi sind, Ihr aber dessen bestellter Hirt, so will Euch gebühren, sie auf eine bessere Weide zu führen.« – »Ja,« antwortete der Pfarrer, »liebes Kind! es gehet bei den gottlosen Soldaten nicht anders her, Gott erbarm es! Wanngleich ich etwas sagte, so wäre es so viel, als wann ich Tauben predigte, und ich hätte nichts anders davon als dieser gottlosen Bursch gefährlichen Haß.« Ich verwunderte mich, schwätzte noch eine Weile mit dem Pfarrer und gieng, dem Gubernator aufzuwarten; dann ich hatte gewisse Zeiten Erlaubnus, die Stadt zu beschauen und zum Pfarrer zu gehen, weil mein Herr von meiner Einfalt Wind hatte und gedachte, solche würde sich legen, wann ich herumterminierte, etwas sähe, hörete und von andern geschulet oder, wie man saget, gehobelt und gerülpt würde.

Quelle:
Grimmelshausens Werke in vier Teilen. Band 1, Berlin, Leipzig, Wien, Stuttgart o.J. [1921], S. 68-70.
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