18.
Schluß des 1648sten Jahres

[103] Zeuch hin betrübtes Jahr/ zeuch hin mit meinen Schmertzen!

Zeuch hin mit meiner Angst und überhäufften Weh!

Zeuch so viel Leichen nach! Bedrängte Zeit vergeh/

Und führe mit dir weg die Last von diesem Hertzen!

Herr/ vor dem unser Jahr als ein Geschwätz und Schertzen/

Fällt meine Zeit nicht hin wie ein verschmeltzter Schnee/

Laß doch/ weil mir die Sonn gleich in der Mittags-Höh/

Mich noch nicht untergehn/ gleich ausgebrennten Kertzen.

Herr es ist genung geschlagen/

Angst und Ach genung getragen/

Gib doch nun etwas Frist/ daß ich mich recht bedencke/

Gib daß ich der Handvoll Jahre

Froh werd' eins vor meiner Bahre/

Mißgönne mir doch nicht dein liebliches Geschencke.

Quelle:
Andreas Gryphius: Gesamtausgabe der deutschsprachigen Werke. Band 1, Tübingen 1963, S. 103.
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