Der ander eingang.


[24] Leo Armenius. Exabolius. Nicander.


LEO.

So nimmt er weder rath noch warnung mehr in acht?

EXABOLIUS.

So ists. Vermahnen, bitt und dreuen wird verlacht.

Er laufft, wie wenn ein pferd die zügel hat durchrissen,

Wie eine strenge bach, wenn sich die ström ergießen

Und häuser, bäum und vieh hinführen in die see.

Er hat ein grösser werck, mit andern vorgenommen,

Sein muth wächst mehr und mehr, er (wo ichs recht versteh'),

Hat eines solchen wercks sich nunmehr unterwunden,

Als höchster meyneid kaum vor dieser zeit erfunden.

LEO.

Treu-loser aberwitz! durch wahn verführter mann!

Undank, dem laster selbst kein laster gleichen kann!

Durchteuffeltes gemüth! vermaledeyte sinnen!

Die keine redligkeit noch wolthat mag gewinnen!

Hab ich dich tollen hund vom koth in hof gebracht

Und auf selbst-eigner schoß berühmt und groß gemacht?

Hat uns die kalte schlang, die ietzund sticht, betrogen?[24]

Ist dieser basilisc an unsrer brust erzogen?

Warum hat man dich nicht erwürgt auf frischer that?

Eh man die untreu nechst entdeckt dem großen rath?

Hat uns der hohe muth und der verstand bethöret?

Stärckt ich den arm, der sich nun wieder uns empöret?

Was ist ein printz doch mehr als ein gekrönter knecht,

Den ieden augenblick was hoch, was tieff was schlecht,

Was mächtig, trotzt und hönt, den stets von beyden seiten

Neid, untreu, argwohn, hass, schmertz, angst und furcht bestreiten?

Wem traut er seinen leib, weil er die lange nacht

In lauter sorgen theilt und für die länder wacht,

Die mehr auf seinen schmuck als rauen kummer sehen,

Und (weil ihn nicht mehr frey) was ruhm verdienet, schmähen?

Wen nimmt er auf den hof? Den, der sein leben wagt

Bald für, bald wieder ihn und ihn vom hofe jagt,

Wenn sich das spiel verkehrt. Man muss den todfeind ehren,

Mit blinden augen sehn, mit tauben ohren hören.

Man muss, wie sehr das hertz von zorn und eyfer brennt,

In worten sittsam sein und den, der regiment

Und cron mit füßen tritt, zu ehren-ämptern heben.

Wie offt ist diese schuld dem lästerer vergeben!

Wie offt! Was klagen wir! Hie hilfft kein klagen nicht,

Nur ein geschwinder rath.

NICANDER.

Brich, eh er um sich sticht!

LEO.

Stürb er ohn urtheil hin, wer würd ihn nicht beklagen!

NICANDER.

Der fürst muss nicht so viel nach leichten worten fragen.[25]

LEO.

Ein leichtes wort richt offt nicht leichten auffruhr an.

Volck, hauptmann, ross und knecht sieht nur auf diesen mann.

EXABOLIUS.

Man stell ihn auf der burg gebunden für gerichte!

LEO.

Wie, wenn er wie vorhin, die klagen macht zu nichte?

EXABOLIUS.

Die aufflag ist zu klar.

LEO.

Nechst auch; doch kam er loß.

NICANDER.

Drum schnaubt er rach und mord.

LEO.

Sein anhang ist zu groß.

EXABOLIUS.

Wen man den kopff abschlägt, dem kan kein glied mehr schaden.

LEO.

Wir würden vieler hass und feindschaft auf uns laden.

EXABOLIUS.

Man sieht nach keinem hass, wenns cron und scepter gilt.

LEO.

Er hat sud, ost und west mit seinem ruhm erfüllt.

EXABOLIUS.

Itzt wird sud, ost und west verfluchen sein verbrechen.

LEO.

Wofern nur ost und west nicht seine straffe rächen!

EXABOLIUS.

Ein vogel fleucht den baum, auf den der donner schlägt.

LEO.

Der große, wüste wald wird durch den schlag bewegt.

EXABOLIUS.

Bewegt und auch erschröckt. Man lernt die klippen meiden,[26]

An der ein fremder mast hat müssen schiffbruch leiden.

LEO.

Er hat des schwerdtes knopff, wir, leider! kaum die scheid.

EXABOLIUS.

Drum hand ab, eh er schmeist. Es heist: schneid oder leid!

LEO.

Wer wird die freche faust in eisen schließen können?

EXABOLIUS.

Wo keine stärcke gilt, muss man der list was gönnen.

NICANDER.

Man greiff ihn unversehns, so bald er herkommt, an!

LEO.

Ungerne stehn wir zu, was man nicht ändern kann.

Wir fühlen diß gemüth durch seine schuld bestritten;

Wir hören sein verdienst für sein verbrechen bitten.

Die übergroße gunst, die wir ihm offt erzeigt,

Der marmor harte muth, den kein ermahnen neigt,

Erhitzen unsern zorn. Uns jammert seine stärcke;

Doch unser geist entgrimmt, dafern wir seine wercke

Nur überhin besehn! Es muss gedonnert sein,

Nun ihn kein plitzen schreckt! Red ihm noch einmahl ein!

Er soll auf unser wort in dem pallast erscheinen.

Wo er zu ändern ist, wo, (wie wir kaum vermeinen)

Er seine schuld erkennt und den, den er verletzt,

Mit erster demuth ehrt, wird hier kein schwerdt gewetzt.

Wofern er, (wie gewohnt) das alte lied wil singen,

Nicander, mach ihn fest! Der stoltze kopff mag springen,

Der sich nicht beugen kan.


Quelle:
Andreas Gryphius: Werke in drei Bänden mit Ergänzungsband. Band 2, Darmstadt 1961, S. 24-27.
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