121. Der Spuck am Entenfängersee.173

[115] Zwischen den Havelseen bei der Inselstadt Werder und einer bewaldeten Hügelreihe zieht sich längs den Ufern des Flusses ein breites Wiesenland hin,[115] durchschnitten von einzelnen gewundenen Wasserzügen und wellenförmigen Höhen; unterhalb der höchsten Waldhügel unweit des unter dem Namen des Entenfängers bekannten Gehöftes liegt ein Erlengehölz, wie gewöhnlich schattig, feucht und auf seinem Boden mit Giftpflanzen und üppig wuchernden Schlingkraut bewachsen. In der Mitte desselben befindet sich ein ziemlich umfangreicher See, der wegen seiner Einsamkeit und Ruhe zum Fange der wilden Enten benutzt wird, indem die Lockenten letztere herbeirufen und sie durch Binsen und Rohr bis in die Netze der sogenannten Todtenkammer führen, welche dann der lauernde Jäger hinter ihnen schließt.

An heitern Abenden sieht man über diesem verborgenen Orte ein kleines Wölkchen schweben, welches langsam bis auf die Wasserfläche herabsinkt und sich wie ein weißer Nebel in flockigen Streifen über die benachbarten Wiesen verbreitet. Dies nennt der Landmann: »der Fuchs badet sich« und verkündet gut Wetter auf den folgenden Tag. Nach Andern aber soll diese Erscheinung von einem Gespenste herrühren. Ein Pfarrer soll seiner Tochter, deren Mann eine bessere Stelle als er bekam, das Brod verflucht haben und dafür an den See verwünscht worden sein. Dort sitzt er im Nebel und droht mit der Faust, ruft man aber den wohlbekannten Namen seiner Tochter, so stürzt er plötzlich ins Wasser.

173

Nach Reinhard S. 199.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 1, Glogau 1868/71, S. 115-116.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Sagenbuch des Preußischen Staats
Sagenbuch des Preußischen Staats: Erster Band
Sagenbuch des Preußischen Staats: Zweiter Band
Sagenbuch des Preußischen Staats: Erster Band
Sagenbuch des Preußischen Staats: Zweiter Band