182. Der bestrafte Meineidige zu Salzwedel.242

[163] In der Stadt Salzwedel lebte einst ein Mann, der 100 Ducaten geborgt hatte. Als nun die Zeit des Wiederbezahlens kam und sein Gläubiger ihn mahnte, da leugnete er frech es ab, überhaupt von ihm auch nur einen rothen Heller erhalten zu haben. Er wurde deshalb von Letzterem verklagt und natürlich von dem Rath vorgefordert, und ihm ein Eid auferlegt, daß er überhaupt kein Geld erhalten oder es doch seinem Gläubiger zurückgegeben habe. Der böse Schuldner hatte das vorhergesehen und daher listigerweise die 100 Ducaten in seinen Spazierstock eingespundet. Diesen nahm er so mit aufs Rathhaus; und weil er nicht falsch schwören wollte, sondern sein Gewissen dadurch zu retten glaubte, so bat er seinen Gläubiger, ihm während des Eides seinen Stock zu halten. Darauf schwur er mit großer Frechheit, daß er das Geld ehrlich zurückgegeben habe, und sein Gegner wurde mit seiner Klage abgewiesen. Aber die Strafe ereilte den Meineidigen auf der Stelle. Denn wie er nun zu seinem Hause zurückkehrte, da begegnete ihm ein Müllerwagen, vor dem die Pferde scheu geworden waren. Der überfuhr ihn, daß ihm die Räder über den Leib gingen und er sofort starb. Auch sein Stock wurde bei dieser Gelegenheit durch das Ueberfahren mit zerbrochen, und als aus demselben die Ducaten herausfielen, da wurde der Betrug offenbar, und ein Jeder erkannte die Strafe des Himmels an dem Meineidigen. In der Katharinenkirche zu Salzwedel hängt ein Bild, worauf die Begebenheit abgebildet ist.

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Nach Pohlmann S. 204 etc.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 1, Glogau 1868/71, S. 163.
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