286. Vorboten der Zerstörung Magdeburgs durch Tilly.351

[234] Im Jahre 1630 ist der Herr Administrator mit dem schwedischen Ambassadeur Johann Stellmann gerade in dem Augenblick in den Dom zur Predigt geritten, da der Herr Dr. Bekius die Worte Dom. X. p. Trinit. erklärt: Wenn Du es wüßtest, so würdest Du auch bedenken etc. In selbigem Jahre, den 26. November und 6. December vornehmlich ist ein grausamer Wind entstanden, so hin und wieder großen Schaden gethan, viele Kirchspitzen heruntergeworfen, als zu Weckersleben, Olvenstädt und anderen Oertern mehr, insonderheit zu Magdeburg die neue schöne Spitze zu St. Katharinen, die eine zu St. Johannis, zu St. Gertrud und St. Annen, da die Spitze durch das steinerne Pflaster neben der Kirche in die Erde also geschlagen, daß sie über zwei Ellen hoch schräg gestanden, auf dem Pflaster so fest, daß man sie gar nicht regen und bewegen können, ungeachtet sie nur von Tannenholz und nicht beschlagen gewesen. Dieser unnatürliche Wind hat auch das starke Mauerwerk und die zwei großen Pfeiler, darauf der Bischofsgang erbaut gewesen, ganz aus dem Grunde herausgerissen bis in den Winkel des Doms, dahin doch der Wind aus Westen nicht gelangen können, und Alles so glatt hinweggeschlagen, als wenn es vom Steinmetz mit dem Meißel geschehen wäre. Er hat auch in die große Domthüre ein rundes Loch ganz wunderseltsam gemacht, die Flügel zerschmettert und im Eingange, da die 5 thörichten und 5 klugen Jungfrauen stehen, der einen klugen Jungfrau die eine Hand mit der Lampe hinweggeschlagen und dem Bilde zur linken Hand, wenn man in den Dom geht, welches das neue Testament bedeuten soll, in Mannesgröße, das Kreuz nebst dem Kelche aus der Hand geschmissen. Dieser Wind hat folgends das vergüldete Bild St. Moritzens, so hinter dem Rathhaus gestanden, heruntergeworfen und die Justitia, im Fenster hinter dem Chor zu St. Johannis, mit der Waage zerschlagen. Nach diesem Winde hat sich im Chor des Domes eine große Katze sehen lassen, und wie die Choralschüler gesungen, mit drein gemauet, und ob man sie gleich gejagt, ist sie doch von einem Orte zum andern gesprungen und hat ihren Gesang continuirt. Als auch der Herr Administrator zum letzten Male im Dome communicirt, hat sich im Chor eine greuliche Eule sehen lassen, die hin und wieder geflogen, und da in diesem Jahr in der St. Johanniskirche Herr Bürgermeister Martin Brauns und Herr Dr. Walther, der Syndicus, zum Nachtmahl gegangen, hat sich im Kelche, da die Consecration geschehen sollte, kein Wein gefunden, welches zwar aus Nachlässigkeit des Küsters geschehen, aber doch von verständigen Leuten für ein böses Omen gehalten worden ist. Auf dieses schreckliche Windbrausen ist bald darauf der General Tilly den 21. December im Stift Halberstadt angelangt und hat seine Armada nach Magdeburg marschiren lassen. Im St. Augustinerkloster ist ein alberner und im Haupte verworrener Mensch im Blockhause gesessen (seiner Profession ein Maler), welcher Wehe über Magdeburg gerufen und gesagt, es werde ein großes Blutbad darinnen entstehen. Montags zuvor, ehe die Stadt erobert worden, hat er mit etlichen Reisern hin und her gekehrt, und als man gefragt, warum er also fege, hat er geantwortet; also soll Magdeburg[235] gekehrt und gefegt werden! Dieser Sinnlose hat nachher im Kloster einen Pastor mit seinem Weibe, die sich vor etlichen Jahren daselbst eingekauft, bei Eroberung der Stadt in seinen Blockkasten salvirt, weil er nackend darin gestanden und mit seinen Ketten umher geschlagen, daß sich kein Soldat an ihnen, dem Pastor und seinem Weibe, vergreifen dürfen. Es ist auch dieser Blockkasten im Feuer unversehrt geblieben, wie auch die Stube und Kammer, darin sich vor hundert und etlichen Jahren der sel. Herr Lutherus eine Zeitlang aufgehalten. Montags vor der Eroberung ist eine Jungfrau von Flensburg aus Holstein begraben worden, welche sich bei ihrem Ohm Herrn Johann Nising ein Paar Jahre aufgehalten; dieselbe hat in ihrer Krankheit sehr über den Untergang Magdeburgs geklagt, Wehe und Zeter gerufen, daß die Kroaten und Soldaten hereinfielen und sie mit Gewalt schänden wollten, bei welchem heftigen und mächtigen Schreien sie die Hände dergestalt gerungen und gewunden, daß die Haut abgegangen, und hat dieses getrieben, bis sie kurz vor ihrem Ende still geworden und auf Christus selig eingeschlafen. Man hat auch in der nächsten Nacht vor der Eroberung ein Geschrei in der Luft gehört: Wehe, wehe, wehe! und haben dieses referiret diejenigen, so die Wache gehalten. Dienstags um 2 Uhr haben sich zwei feurige Balken am Himmel sehen lassen, und als das letzte Stück aus der Stadt gelöset worden, hat sich das Feuer als ein glühender Kranz gewunden und ist in der Luft verschwunden. Viele von den Kaiserlichen haben solches in Acht genommen und referirt.

Es soll nach der Eroberung ein jämmerliches Geschrei über Magdeburg sich in der Luft haben hören lassen und das Wehe, Wehe! oft wiederholt haben. Auch ein Stein in dem Dom vor dem Chor liegend soll Blut geschwitzt haben. Ingleichen an der Elbe, da man der Todten bei viele Tausende hineingeworfen, soll des Nachts ein großes Winseln und Wehklagen gehört worden sein. Zu Altenburg, vier Meilen von Magdeburg, hat sich im Graben um das hochadelige Schulenburg'sche Schloß Blut sehen lassen, desgleichen auch zu Steindorf, vier Meilen von Magdeburg, in einem Teiche geschehen; wenn man solch Wasser in ein Gefäß gegossen, ist es anzusehen gewesen, wie dick geronnenes und geliefertes Blut. Endlich hat etliche Wochen vor der Belagerung eines Korporals Weib über der Geburt ihr Leben beschlossen, aber vorher verlangt, daß nach ihrem Absterben man sie öffnen möchte, da sich ein Knäblein bei ihr in der Größe eines dreijährigen Kindes gefunden, so auf dem Haupte ein Kaskett, am Leibe eine Patrontasche mit Kugeln und an den Füßen weite Alamode-Stiefeln von Fleisch gewachsen gewesen.

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Nach Vulpius S. 119, 262 etc.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 1, Glogau 1868/71, S. 234-236.
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