301. Die eisernen Köpfe an der St. Jacobskirche zu Magdeburg.368

[248] Die St. Jacobskirche lag im 12. Jahrhundert noch nicht innerhalb der Stadt, und in der Gegend des jetzigen Jacobs-Kirchhofes befanden sich das Hochgericht und der Rabenstein. In dem südlichen Thurme jener Kirche sind aber noch heute zwei eingemauerte eiserne Köpfe zu sehen, welche folgende Begebenheit auf die Nachwelt bringen sollten.[248]

Im Jahre 1146 sind zwei Magdeburger Handwerker, ein Grobschmied und ein Kesselflicker, eines Nachts bei großer Theuerung in die Scheune eines Bauern im Dorfe Biedewitz eingedrungen, um daselbst Getreide zu stehlen; in derselben Nacht hat aber ein Bösewicht daselbst Feuer angelegt, und jene beiden Männer sind ergriffen und für die Brandstifter gehalten worden. Trotz ihres Leugnens sind sie aber zur Folter verurtheilt und als sie hier durch Martern zu einem unwahren Geständniß veranlaßt worden waren, zum Tode durch den Strang, sowie zur Vernichtung ihrer Leiber auf dem Scheiterhaufen verurtheilt worden. Der Eine von ihnen hat aber die Kunst gekannt, durch leichtes Bestreichen mit einer Flüssigkeit jeden Gegenstand so hart und fest, ja eben so unzerstörbar wie Eisen zu machen. Diese haben sie sich auch zu verschaffen gewußt, haben damit ihre Köpfe bestrichen, und als der Erste schon den Strick um den Hals hatte, hat er mit lauter Stimme zu dem zahlreichen Volke also gesprochen: »Hört an, meine Mitbürger, wir sind beide rein von der Schuld der uns aufgebürdeten Brandstiftung! So gewiß unsere Köpfe wie eiserne Kugeln im Feuer glühen, aber dennoch unzerstört bleiben und der Flammen spotten werden, so gewiß sind wir unschuldig!«

Wie gedacht so geschehen; als die Leiber der Gehenkten auf den dazu bestimmten Holzstoß gelegt worden waren, verbrannten wohl die Körper und die Holzstücke, allein aus der glühenden Asche leuchteten wie glühende Kugeln die unzerstörten Köpfe der beiden Hingerichteten hervor, und als am andern Morgen der Scharfrichter mit eisernen Haken die schwarzgraue Asche durchwühlte, da rollten beide Köpfe, zwar eisenfarbig, aber unversehrt mit Nase, Mund und Ohren, mit vollen Wangen und Haaren hervor und die gewaltigen Schläge des Henkers vermochten sie nicht zu zertrümmern. Sie waren zu Eisen geworden und damit die Unschuld der Missethäter erwiesen. Zum Andenken an dieses Gottesurtheil sind sie sodann in den Thurm der nahen St. Jacobskirche eingemauert worden.

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Nach Relßieg Bd. I. S. 229 etc.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 1, Glogau 1868/71, S. 248-249.
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