377. Der Bischof und die Katze zu Merseburg.463

[330] Im Schlosse zu Merseburg befindet sich ein Bild, welches einen Bischof mit einer schwarzen Katze vorstellt, desgleichen ein zugemauertes Fenster und unweit der Stadt einen Berg, der den Namen Katzenberg führt. Es soll dasselbe folgenden Ursprung haben.

Der Bischof Michael in Merseburg hatte eine solche Vorliebe für die Katzen, daß er sich deren eine große Menge und von allen Farben hielt und sich von ihnen auf seinen Spaziergängen begleiten ließ. Eines Tages reiste er nach Magdeburg und hörte in dem nächsten Walde ein ganz seltsames Geräusch und entdeckte endlich eine große Menge Katzen auf einem kleinen Berge versammelt, der daher noch bis heute der Katzenberg heißt. Diese Katzengesellschaft machte ihm so viel Vergnügen, daß er den Wagen halten ließ, eine Zeit lang ihrem Treiben zusah und endlich scherzend ihnen zurief: »Seid Ihr Alle hier versammelt? Fehlt keine?« »Alle«, antwortete ihm ein alter Kater, »bis auf die Katze des Bischofs, die wir noch erwarten.« Als der Bischof von seiner Reise zurückgekehrt war, lockte er seine schwarze Katze, die er ihrer seltsamen Sprünge und Kunststücke wegen gern um sich hatte, zu sich, streichelte sie und erzählte ihr, was er auf dem Berge gesehen, und fragte sie, warum sie nicht Theil an der großen Katzenversammlung genommen habe? Auf diese Rede fuhr die Katze mit wildem widrigem Geschrei zum Fenster hinaus durch die Luft und kehrte nie wieder zum Bischof zurück.

Eine frühere Sage erzählt, daß Thilo von Trotha, der Erbauer des Schlosses, einst einen Boten auf den Harz gesendet habe. Dieser erzählte bei seiner Rückkunft, daß er in der Nacht vor dem ersten Mai auf einem Baume des Blocksberges zwei Katzen gesehen habe, die gegen einander geäußert hätten, daß sie längst oben zum Tanze sein könnten, wenn Thilo's Katze nicht so lange auf sich warten ließe. Auf diesen Bericht des Boten hob Thilo drohend die Hand gegen seine Katze, die neben ihm auf dem Stuhle saß und sagte halb ernst, halb scherzend: »Ei, ei, muß ich solche Dinge von Dir hören!« Noch hatte Thilo seine Worte nicht geendet, als die Katze in einem Sprunge durchs Fenster fuhr und einen abscheulichen Geruch hinterließ. Sie kehrte nie wieder zurück und Thilo ließ das Fenster vermauern.

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Nach Ziehnert, Preuß. Sagen, Bd. III. S. 40 etc. und Berckenmeyer, Neuverm. cur. Antiquarius. Hamburg o.J. in 12. S. 656.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 1, Glogau 1868/71, S. 330-331.
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