381. Zwerge als Schatzhüter.469

[333] Um das Jahr 1730 diente zu Leipzig im Gasthofe zur goldenen Sonne auf dem Grimmaischen Steinwege ein Hausknecht, Namens Peter. Derselbe erzählte, es sei ihm vier Jahre zuvor, als er auf einem Bauernhofe unweit Merseburg gedient, folgende sonderbare Geschichte begegnet. Er war erst kurze Zeit dort in Dienst gewesen, so wurde er täglich zwei kleine Zwerge gewahr, welche ihn überallhin begleiteten. Wiewohl ihm dies anfänglich sehr schwer fiel, in einer solchen Gesellschaft zu leben, so wurde er doch endlich des Umgangs mit den kleinen Leuten gewohnt, daß er fast keinen Schrecken mehr darüber empfand. Am Meisten waren sie um ihn beschäftigt, wenn er einen gewissen Viehstall rein machte, indem sie während der Arbeit ungemeine Sprünge um ihn machten, als wenn sie ihm etwas entdecken wollten. Da er einstmals des Abends unter Begleitung dieser Gefährten seine Geschäfte verrichten und nach Gewohnheit die Streu ausräumen wollte, blieb er mit der Spitze der Gabel zwischen einem Ziegelstein hängen, welchen er aber mit leichter Mühe in die Höhe warf und mit Erstaunen sah, daß unter demselben lauter alte sächsische Thaler befindlich wären. Ueber dieses Anschauen kam ihm ein großer Schauer und Grausen an, zumal die zwei Zwerge allerhand seltsame Gebehrden gegen ihn blicken ließen, so daß er sich entschloß, den Ziegelstein wieder an seinen vorigen Ort zu legen und aus dem Stalle zu gehen. Hierauf zeigten sich die Zwerge ganz erbost gegen ihn und ließen ihm ganze 14 Tage und Nächte keine Ruhe, also daß alle Hausgenossen nicht wußten, was doch wohl dem Knecht fehlen möchte, indem er sowohl in der Gestalt als Leibeskräften sich ganz geändert und gewaltig abgenommen hatte, auch seiner Arbeit fast nicht mehr vorstehen konnte. Bisher hatte er noch keinem Menschen sein Anliegen offenbaret, bis er endlich an einem Abend solches Lebens ganz überdrüssig wurde und dem Sohne seines Hauswirths den ganzen Verlauf der Sache erzählte. Derselbe nahm mit ihm die Abrede, daß, wenn die andern Leute im Hause schlafen würden, sie dieses Geld heben und solches so lange unter dem Getreide seines Vaters verstecken wollten, bis sie Gelegenheit fänden, davon zu gehen und mit diesem erlangten Schatz ihren Stand zu ändern. Sie schritten noch denselben Abend zum Werke, hoben mit geringer Mühe das Geld sammt der alten Braupfanne, worin es befindlich war, und verbargen es, wie sie vorhin abgeredet hatten. Hierauf legten sie sich ohne Sorgen schlafen, hatten aber beide kaum das Bett erreicht, als sie von einem unvermutheten Zufall betroffen wurden. Denn der Sohn starb nach einigen Stunden unter erschrecklichem Rasen und großen Leibschmerzen, der Knecht aber blieb eine geraume Zeit in solchem Zustande, daß er kein Glied am Leibe rühren noch bewegen konnte. Hierdurch wurde er endlich bewogen, den ganzen Handel zu offenbaren und gab damit Gelegenheit, daß über diesen Schatz, welchen die guten Hausgeister ihm allein zugedacht hatten, ein großer Streit und Uneinigkeit entstand. Denn es gaben sich Verschiedene an und wollten sich dieses Geld zueignen, welches vielleicht einst ihre längst verstorbenen Vorfahren bei eingefallenen Kriegstroublen vergraben hatten und besagte Hausgeister dem Knecht Peter allein hatten übergeben wollen.

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S. Monatliche Unterredungen aus dem Reiche der Geister, Bd. I. S. 187 etc.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 1, Glogau 1868/71, S. 333-334.
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