402. Ein Färbergesell wird von Langensalza nach Erfurt auf einem Bock entführt.488

[344] Als der Frankfurter Doctor Bräuner in seiner Jugend i.J. 1672 sich des Studirens halber in Erfurt aufhielt, hat es sich begeben, daß eine Dienstmagd, welche bei einem Schreiner gedient, sich mit einem Färbergesellen in unziemende Bekanntschaft eingelassen und weil sie beisammen in einem Hause gedient, ihr leichtfertiges Wesen geraume Zeit ausgeübt. Als aber der Geselle ihrer überdrüssig geworden, ist er fortgereist und hat sich zu Langensalza bei einem Meister in Arbeit begeben. Es hat aber die Magd, ihren bösen Lüsten ein Genüge zu thun, am heil. Pfingsttage, während Alle im Hause, mit Ausnahme des Lehrjungen, in der Kirche gewesen, sich durch einen mit dem[344] Satan gemachten Bund folgenden Mittels bedient und ihren Buhlen auf dem Bock holen lassen. Sie hat gewisse Kräuter bei dem Feuer kochen lassen und sobald solche zum Sieden gekommen, hat auch ihr Buhle zugegen sein müssen. Nun begab es sich aber, als das Töpfchen beim Feuer steht und brodelt, daß der Lehrjunge, nicht wissend, was darin ist, solches näher zum Feuer rückt und seine Leimpfanne an dessen Stelle setzt. Sobald aber solches Töpfchen nahe zu der Feuerhitze gekommen, hat sich etliche Male in solchem eine Stimme hören lassen, sagend: »Komm komm, Hensel, komm komm komm, Hensel, komm!« Indem aber der Bube seinen Leim rührt, fällt es hinter ihm nieder wie ein Sack, und als er sich umschaut, sieht er einen Mann im Hemde hinter sich liegen. Er hebt ein jämmerlich Geschrei an und die Magd kommt gelaufen, auch andere im Hause wohnende Leute, um zu sehen, warum der Bube so heftig geschrieen hat, und sie finden den guten Gesellen als einen vom tiefen Schlaf erwachten Menschen also im Hemde liegen. Derselbe hat sich aber unterdessen ermuntert und auf Befragen geantwortet, es sei ein großer schwarzer Bock, so ganz zornig anzusehen gewesen, zu ihm vor sein Bett gekommen, der habe ihn also geängstigt, daß er ihn alsbald auf seine Hörner gefaßt und zum großen Fenster mit ihm hinabgefahren, er wisse weiter nicht, wie ihm geschehen wäre, habe auch nichts Sonderliches empfunden und befinde sich anjetzo allhier auf einem so weiten Weg, denn gegen 8 Uhr habe er noch zu Langensalza im Bett gelegen und jetzt wäre es zu Erfurt kaum halb neun, er könne anders nicht glauben, als daß ihn die Katharine, neben welcher er vormals hier bei einem Meister gedienet, dieses Stücklein gemacht, indem sie ihm bei seiner Abreise gesagt, wenn er nicht bald wieder zu ihr komme, wolle sie ihn auf dem Bocke holen lassen. Nachdem nun aber diesem Gesellen ein Paar Hosen und Rock, sammt anderer Nothdurft geborgt worden sind, hat man indessen die Dienstmagd in Gewahrsam genommen, bis ihr Meister und seine Frau nach Hause gekommen, welche sie scharf examinirt und bedroht, so sie nicht die Wahrheit gutwillig sagen wolle, man sie der Obrigkeit als eine Hexe überantworten werde. Das Frauenzimmer aber hebt an herzlich zu weinen und bekennt, daß sie solches Kunststück zwar nicht gelernt, auch mit dem Teufel kein Bündniß gemacht, doch hätte sie ein altes Weib, welches sie auch namhaft gemacht, dazu beredet. Dieselbe habe ihr gelehrt, wenn sie die Kräuter, die ihr auch das alte Weib gegeben, sachte werde kochen lassen, so müsse alsobald ihr Buhle erscheinen, er sei so weit als er immer wolle. Obschon der Meister und seine Frau diese alte Bettel wohl kannten, auch sie oft in ihrem Hause hatten aus- und eingehen lassen, so hegten sie doch Bedenken, davon viel Wesens zu machen und entließen blos die Magd ihres Dienstes, den Färbergesellen aber ließen sie mit einer guten Vermahnung wieder seine Straße ziehen.

488

Nach J.J. Bräuner, Physikal. Curiositäten. Frankfurt a.M. 1737. S. 58.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 1, Glogau 1868/71, S. 344-345.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Sagenbuch des Preußischen Staats
Sagenbuch des Preußischen Staats: Erster Band
Sagenbuch des Preußischen Staats: Zweiter Band
Sagenbuch des Preußischen Staats: Erster Band
Sagenbuch des Preußischen Staats: Zweiter Band