403. Das Rathhaus zu Erfurt.

[345] Erfurt, jetzt nur die Hauptstadt eines Regierungsbezirks, war es sonst von ganz Thüringen und nicht nur im deutschen Reiche, sondern auch im Auslande berühmt wegen seiner Thürme und ihrer großen Glocke Maria Gloriosa, 270 oder 276 Ctr. schwer, 1/4 Elle dick, 15 Ellen im Umfang[345] und 41/2 Elle hoch,489 die weithin durch die Gebirge und Ebenen des fruchtreichen Thüringens tönte. Nach und nach hat aber die Zeit auch hier zahlreiche Veränderungen hervorgebracht, nur der ehrwürdige alte Dom und das Rathhaus behaupteten ihren alten Standort und ihre alterthümliche Gestalt. Letzteres schützte die alte Rolandssäule, die vor ihm mit Schwert und Fahne stand, um anzudeuten, daß hier Gerechtigkeit Gericht halte, und zu zeigen, woher der Wind wehe. In neuerer Zeit sollte jedoch das Rathhaus durch ein neues ersetzt werden; nachdem die Mauern des alten niedergerissen und damit auch die alten Wappenschilder der Patricier, die eroberten Fahnen und Paniere, sowie die alte Armbrust, welche nur sechs Mann spannen konnten, verschwunden waren, da erzählte sich das Volk, in mondhellen Nächten erscheinen die Geister der alten Räthe im Schmuck ihrer Amtswürde, setzten sich auf die Bank um den alten Roland her, schüttelten die greisen Locken ohne einen Laut zu sagen, wenn aber vom Thurme die erste Stunde nach Mitternacht ertöne, lasse der Roland seine Fahne knarren und die Geister verschwinden.


Laudo patronos, cano Gloriosa

Fulgur arceo et Daemones malignos

Sacra templis a populo sonanda carmine pulso.

Gerhardus Juon de Cempis me fecit Anno Dom. 1497.


Die andere obengenannte Glocke heißt eigentlich Maria Clara Susanna. Auf ihr steht folgender Reim: »Die große Susanna treibt die Teufel von danna.«


489

Sie ward am Abend St. Kiliani 1497 durch Meister Gerhard Juon von Kempen nebst den zwei andern Glocken, Wolf und die Osanna, die auf den Thürmen zu St. Marien hängen, gegossen. Auf ihr ist folgende Schrift eingegossen:

Laudo patronos, cano Gloriosa

Fulgur arceo et Daemones malignos

Sacra templis a populo sonanda carmine pulso.

Gerhardus Juon de Cempis me fecit Anno Dom. 1497.

Die andere obengenannte Glocke heißt eigentlich Maria Clara Susanna. Auf ihr steht folgender Reim: »Die große Susanna treibt die Teufel von danna.«

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 1, Glogau 1868/71, S. 345-346.
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