19. Die Tafel voll Namen.

[448] Im siebenjährigen Kriege lag ein alter Soldat zu Sondershausen bei einem Friseur im Quartier, der hörte viel vom Kiffhäuser erzählen und wollte auch einmal sein Glück versuchen. In der Himmelfahrtsnacht ging er auf den Berg und kam an eine Pforte, die sich vor ihm aufthat. Er gelangte in einen matt erleuchteten Gang und endlich in ein Gewölbe, darin stand eine lange Tafel, an dieser saß die ernste Gestalt eines Mannes mit langem Barte und todtenbleichem Antlitz und schrieb. Auf der Tafel fand er zahllose Namen eingeschrieben, und die Gestalt bedeutete ihn, er solle sich in den Finger schneiden und mit Blut seinen Namen auf die Tafel schreiben, dann könne er reich werden und von den Schätzen, die ringsum in Fässern und Truhen umherstanden, nehmen, soviel er wolle. Allein der alte Soldat[448] verweigerte standhaft, was von ihm gefordert ward, und plötzlich geschah ein Donnerschlag, es war, als breche der ganze Berg zusammen, und Alles, was er gesehen, verschand vor seinen Augen, die Gestalt, die Tafel und die Schätze. Tiefe Nacht umgab ihn, mit Mühe und Noth fand er endlich nach langem und ängstlichem Umhertappen in der Finsterniß eine kleine Oeffnung, durch die er sich höchst mühsam heraufarbeitete. Mit zerrissenen Kleidern und krank kam er wieder nach Sondershausen.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 1, Glogau 1868/71, S. 448-449.
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