518. Das Mordholz bei Unterrißdorf.608

[468] Vor ungefähr 300 Jahren lebte auf Seeburg ein Ritter Cuno von Hahn, das war ein gar zänkischer, garstiger Patron, der mit allen seinen Nachbarn in Unfrieden lebte, namentlich mit einem Herrn von Mandelsloh auf Heddersleben, von dem er nicht mit Unrecht glaubte, daß derselbe zuweilen auf seinem Revier jage. Da trug es sich zu, daß eines schönen Tages Cuno's Sohn, ein junger Mensch von 20 Jahren, von der Universität zu seinen Eltern zum Besuch kam und sich bei ihnen die Zeit mit Jagd und Fischfang vertrieb. Nun war gerade ein Tag für die Hochzeit einer Jungfer seiner Mutter angesetzt und sein Vater hieß den jungen Mann eine Flinte nehmen und hinaus in den Wald gehen, um für das Brautpaar ein paar Hasen zu schießen. Der Sohn war auch gleich dazu bereit und sagte, er wolle nach dem sogenannten Hasenwinkel drei Stunden von hier gehen und dort das Gewünschte holen. Der Vater aber meinte, er solle lieber nicht dorthin gehen, er wisse wohl, daß der Heddersleber Mandelsloh in jener Gegend zu jagen pflege und dabei gewöhnlich auf das Seeburger Revier komme, er warne ihn also, hübsch weit von der Grenze wegzubleiben, damit nicht Anlaß zu Streit gegeben werde, von dem er, wie er wohl wisse, kein Freund sei. Der Sohn versprach's auch, setzte sich zu Pferd und ritt mit seinen Jägern in den Wald. Sie ritten unter dem Galgenberge weg, dann längs dem süßen See, wo die rothe Hütte steht, bis dicht an den Berg durch Bahndorf, eine wüste Mark, bis Wormesleben, fanden aber nichts, mußten also, da alles weggetrieben war, doch nach dem Hasenwinkel. Allein auch[468] da konnten sie kaum ein Thier schießen, und der Jägerbursche schlug also dem Junker vor, bis an die Grenze ihres Reviers zu reiten, wo so viele Hasen seien als hier Steine. Der Junker war damit einverstanden, sie beschlossen also, erst die sogenannte Bachenschlucht abzusuchen, dann sich aber nach dem Uhuberg zu wenden. Allein ehe sie noch bis dahin kamen, da kam ihnen der Heddersleber mit zwei Begleitern in den Weg, die hier wilderten. Der Junker rief sie an und frug, was sie hier thäten, jene aber thaten als hörten sie nicht. Darauf nahm der Junker die Flinte von der Schulter und rief: »Steht oder ich schieße!« Allein kaum hatte er das Wort gesprochen, da kam eine Kugel aus der Büchse des einen Wilddiebes und er stürzte vom Pferde. Zwar rief der Jägerbursche einige Ackerknechte aus der Nähe herbei und es gelang ihnen, ihren jungen Herrn noch lebend auf den Pfarrhof zu Unterrißdorf zu bringen, allein noch war die Sonne nicht untergegangen und schon hatte er die Augen für immer geschlossen. Der Mörder, von Gewissensbissen geplagt, ist auf und davon gegangen und erst nach langen Jahren heimgekehrt, der Junker aber ist in der Kirche zu Seeburg an der Wand nach Mitternacht zu in Stein gehauen zu sehen mit dem Datum der Mordthat, d.h. 1578 im Augustmonat. Das Holz, wo der Mord geschah, hieß seitdem das Mordholz, der Mordgrund aber jene Schlucht, welche man früher die Uhukluft nannte. Seit dem Jahre 1828 ist aber an jener Stelle der Wald abgetrieben und das Mordholz in Feld verwandelt.

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Poetisch behandelt von Giebelhausen Th. II. S. 22.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 1, Glogau 1868/71, S. 468-469.
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