667. Der Bergmönch zu Clausthal.781

[628] Der Bergmönch läßt sich in den Gruben oft als Riese in einer schwarzen Mönchskutte sehen. Einmal ist er eine ganze Zeitlang des Freitags erschienen, hat das ausgegrabene Erz aus einem Eimer in den andern geschüttet und einem Arbeiter, der über diese vergebliche Arbeit zürnte, den Hals umgedreht und ein andermal zwölf Bergleute angehaucht, daß sie sogleich todt liegen geblieben sind. Hier in diesen Gruben, in denen sie sich jetzt befinden, hat er einmal einen bösen Steiger, der die armen Bergleute quälte, bestraft, denn als dieser zu Tage fuhr, stellte er sich ihm unsichtbar über die Grube, und als er emporkam, drückte ihm der Geist mit den Knieen den Kopf zusammen. Zuweilen ist er aber auch gut gegen die Bergleute, wie sich dies vor einigen fünfzig Jahren an zwei armen Bauern bewahrheitet hat. Diese arbeiteten nämlich immer gemeinschaftlich und einstmals als sie anfuhren und »vor Ort« kamen, sahen sie an ihrem Geleuchte, daß sie nicht genug Oel zu einer Schicht auf der Lampe hatten. »Was fangen wir da an?« sprachen sie zu einander; »geht uns das Oel aus, so daß wir im Dunkeln sollen zu Tage fahren, sind wir gewiß unglücklich, da der Schacht an sich schon gefährlich ist; fahren wir aber jetzt gleich aus, um von Hause Oel zu holen, so straft uns der Steiger, und das mit Lust, denn er ist uns nicht gut!« Wie sie also besorgt standen, sahen sie ganz fern in der Strecke ein Licht, das ihnen entgegen kam. Anfangs freuten sie sich, als es aber näher kam, erschracken sie gewaltig, denn ein ungeheurer riesengroßer Mann ging, ganz gebückt, in der Strecke hinauf. Er hatte eine große Kappe auf dem Kopfe und war auch sonst wie ein Mönch angethan, in der Hand aber trug er ein mächtiges Grubenlicht. Als er bis zu den Beiden, die in Angst da stillstanden, geschritten war, richtete er sich auf und sprach: »Fürchtet Euch nicht, ich will Euch kein Leids thun, vielmehr Gutes!« nahm ihr Geleucht und schüttete Oel von seiner Lampe darauf. Dann aber ergriff er ihr Geräth und arbeitete ihnen in einer Stunde mehr, als sie selbst in einer ganzen Woche mit allem Fleiß gearbeitet hätten. »Nun«, sprach er, »sagt's keinem Menschen je, daß Ihr mich gesehen habt« und schlug zuletzt mit der Faust links an die Seitenwand; sie that sich auseinander und die Bergleute erblickten eine lange Strecke, ganz von Gold und Silber schimmernd. Und weil der unerwartete Glanz ihre Augen blendete, so wendeten sie sich ab, als sie aber wieder hinschauten, war Alles verschwunden. Hätten sie ihre Hacke oder sonst nur einen Theil ihres Gezähs hineingeworfen, so wäre die Strecke offen geblieben und es wäre ihnen viel Reichthum und Ehre geworden, aber so war es vorbei, wie sie die Augen davon weggewendet. Doch blieb ihnen auf ihrem Geleucht das Oel des Bergmönchs, das nicht abnahm und darum noch immer großen Vortheil gewährte. Aber nach Jahren, als sie einmal am[628] Sonnabend mit ihren guten Freunden im Wirthshaus zechten und sich lustig machten, erzählten sie die ganze Geschichte und am Montag Morgen, als sie anfuhren, war kein Oel mehr auf der Lampe und sie mußten nun jedesmal wieder wie die Andern frisch aufschütten.

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S. Thüringen und der Harz Bd. IV. S. 85.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 1, Glogau 1868/71, S. 628-629.
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