672. Die Haulemutter.786

[632] Ein Bergschmied von Clausthal fuhr vor fünfzig bis sechszig Jahren einmal des Morgens früh um 1 Uhr an. Wie er am Zellbach durch das sogenannte Prachtgäßchen kam, hörte er eine seine und dünne Stimme, welche zu ihm sprach: »Bleibste schtiehn! Bleibste schtiehn!« Weil er aber wußte, daß die Frau, welche in dem kleinen Hause an der Straße wohnte, eine Hexe war, so dachte er gleich, das ist eine Hexe, die Dir einen Schabernack anthun will, und lief was er laufen konnte, daß er fortkam. Aber gleich hörte er hinter sich ein Trappeln und Rappeln, Jauchzen und Schreien, daß[632] ihm Hören und Sehen verging, und doch sah er nichts. Mit einem Male that's einen Satz und er fühlte auf seinen Schultern eine schwere Last, gleich als wenn ein Mensch sich darauf setzte und mit den Beinen vorn herunterhinge. Er fühlte auch, wie die Finger gleich Krallen in die Haut eingeschlagen wurden, und das Ding verließ ihn nicht eher, bis er die Gaipelthür aufgemacht hat, an welcher er matt und erschöpft auf dem untern Burgstädter Zuge ankam. Dann aber gab's ihm einen furchtbaren Schlag in den Rücken, daß er ohnmächtig im Gaipel hinstürzte und erst nach einigen Stunden sich von seiner Noth erholen konnte. Des Abends, als er nach Hause kam, hatte er noch die schwarzen Flecke auf Schultern und Rücken.

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S. Pröhle, Harzsagen S. 76.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 1, Glogau 1868/71, S. 632-633.
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