697. Der Ludgerus-Brunnen zu Billerbeck.812

[676] Als der h. Ludgerus, der erste Bischof von Münster (geb. 744), sich einstmals in Billerbeck aufhielt und eines Abends auf die benachbarten Berge hinausging, um die freie Natur zu genießen, kam er auch auf den sogenannten Billerbecker Berg. Er fand mitten im Walde ein kleines erbärmliches Häuschen, und als er näher kam, sah er eine Frau in der Thür stehen, welche sehr schmutzig gekleidet und im Gesichte ganz schwarz war. Er ging hinein und fragte die Frau nach dem Grunde ihrer Unreinlichkeit, worauf diese ihm antwortete: »Herr, der Brunnen, den Du hier siehst, ist ausgetrocknet, die ganze Gegend ist wasserleer und ich weiß nicht, wo ich mich waschen soll.« Kaum hatte die Frau ausgeredet, so ergriff Ludgerus mit den Händen zwei Gänse, welche eben neben ihm standen, warf dieselben in den ausgetrockneten Brunnen und sprach: »Diese Thiere werden sich durch die Erde einen Ausgang suchen; gebt genau Acht, wo sie wiederum zum Vorschein kommen, und grabet an dieser Stelle einen Brunnen, welcher Euch Wasser geben wird in Fülle und der so lange die Welt steht nicht versiegen soll.« Die Gänse arbeiteten sich sogleich in die Erde hinein, gruben sich durch den ganzen Berg hindurch und kamen am andern Morgen zum Wunder der Leute in Billerbeck aus der Erde hervor. An der Stelle aber, wo sie an's Licht kamen, entstand eine herrliche klare Quelle, welche gegenwärtig noch reichlich fließt und der Ludgerusbrunnen genannt wird. Das Bildniß, des heiligen Bischofs steht in Stein darauf abgebildet, wie er in der einen Hand seinen Bischofsstab trägt und mit der andern auf den Berg hinzeigt, woher die wunderbare Quelle entstanden ist.813 Auf dem Billerbecker Berge aber selbst steht gleichfalls an der Stelle, wo ehemals der vertrocknete Brunnen stand, Ludgerus in Stein abgebildet, wie er im Begriff ist, den Stein in den Brunnen zu werfen.

812

S. Münsterische Geschichten S. 162. Anders wird diese Sage erzählt von Ad. Kuhn, Sagen, Gebräuche und Märchen aus Westfalen. Leipzig 1859. Bd. I. S. 97. 98.

813

So war es früher, jetzt hat man die Statue ohne Grund anders gewendet.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 1, Glogau 1868/71, S. 676.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Sagenbuch des Preußischen Staats
Sagenbuch des Preußischen Staats: Erster Band
Sagenbuch des Preußischen Staats: Zweiter Band
Sagenbuch des Preußischen Staats: Erster Band
Sagenbuch des Preußischen Staats: Zweiter Band