712. Der Hochjäger.828

[682] In alten Zeiten stand mitten im Walde in der Dawert eine große mächtige Burg, die Veste Dawersberg, von welcher man gegenwärtig noch die Trümmer sieht. Auf dieser Burg lebte vor vielen hundert Jahren ein mächtiger Ritter, welcher weit umher im Lande gefürchtet wurde, weil er ein rauher unfreundlicher Mann war, der es mit seinen Untergebenen gar arg trieb. Ueberdies sagte man von ihm, er stehe mit dem Teufel im Bunde und Keiner könne ihm etwas anhaben. Die Jagd war seine Hauptbeschäftigung; Tage lang lief er mit seinem Jäger in den wilden Wäldern umher, und wenn seine Bauern ihm helfen mußten das Wild aufzutreiben, so behandelte er sie, als ob es seine Hunde wären.

Einstmals fiel es ihm an einem Ostersonntage ein, mit seinen Genossen auf die Jagd zu gehen und das Wild zu hetzen, und als man ihn warnte, den hohen Festtag nicht zu entheiligen, sagte er: »Ich will nie in das Himmelreich kommen, wenn ich nicht heute einen Hirsch erlege!« Allein sein Frevel blieb nicht unbestraft. Er konnte seinen Schwur nicht lösen und wurde seit diesem Tage mit seinen Gesellen in die Dawert gebannt. Sobald der Tag sich neigt, beginnt sein wildes Treiben und Jagen; Hundegebell und ein furchtbares Halloh-Rufen verkündigt seine Ankunft hoch in der Luft, und wie das Volk sagt, wird er nicht eher Ruhe finden, bis er den Hirsch erlegt hat, auf den er seine Seligkeit verwettete.

In der Umgegend nennt ihn das Volk allgemein den Hochjäger. Einige behaupten auch, daß er zuweilen mit dem Teufel in einer Kutsche spazieren fahre und Karten spiele.

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S. Münsterische Geschichten S. 168.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 1, Glogau 1868/71, S. 682.
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