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716. Die beiden Schwestern.832

[684] Vor langen Jahren lebten zu Hellinghausen, einem freundlichen Dörfchen in der Nähe von Liesborn, zwei Schwestern. Die eine war sehr reich und lebte mit ihrem Manne und ihren Kindern im Ueberfluß, die andere aber war so arm, daß sie mit ihren sechs Kindern Hunger und Kälte ertragen mußte; denn sie war eine hilflose Wittwe, welche nur von Almosen lebte. Viele Jahre lang hatte die reiche Schwester mit unbarmherzigen Augen den Jammer und die Armuth ihrer unglücklichen Verwandten angesehen und noch immer wurde ihr hartes Herz nicht erweicht, denn Schimpfworte und eine schmähliche Zurückweisung war jedesmal das Loos der armen Schwester, wenn sie kam, um für ihre hungrigen Kinder um eine kleine Gabe zu bitten. Mit Geduld ertrug indessen die arme Frau ihre Noth und nahm sich fest vor, ihre mitleidslose Schwester niemals mehr um etwas zu bitten. Eines Tages aber konnte sie das Jammergeschrei ihrer hungrigen Kinder nicht mehr ertragen; überwältigt von Mutterliebe entschloß sie sich, noch einmal zu ihrer Schwester zu gehen und dieselbe um ein Stückchen Brod anzuflehen. »Ich habe kein Brod!« war die Antwort, und als nun die arme Schwester mit Thränen noch inniger in sie drang, antwortete sie mit kreischender Stimme: »Das Brod, das ich im Hause habe, mag zu Stein werden!« und trostlos kehrte die bedrängte Mutter zu ihren hungrigen Kindern zurück. Als nun am andern Morgen die Schwester den Schrank öffnete, um das Brod herauszunehmen, siehe, da war es gänzlich zu Stein geworden, und vor Schrecken stürzte sie zu Boden und war todt. Das versteinerte Brod aber ward zum Andenken an diese Begebenheit und zum warnenden Beispiel an einer eisernen Kette hinter dem Hochaltar zu Hellinghausen aufgehangen, wo es noch gegenwärtig zu sehen ist.