800. Die Ampel auf dem Kirchhofe zu Lügde.

[751] Einst vor vielen hundert Jahren hat sich ein Rittersmann in dem großen Wald verirrt, der damals Lügde einschloß. Er kannte weder Weg noch Steg und er und sein Roß hatten bereits so lange gehungert und gedurstet, daß sie sich kaum noch fortschleppen konnten, vom Reiten war überhaupt keine Rede, der Ritter zog das Roß am Zügel nach sich. Da ergriff ihn Verzweiflung, denn er hatte schon alle Hoffnung aufgegeben, aus dem dichten Wald herauszukommen und ein Obdach zu erreichen. Siehe da glänzte plötzlich in weiter Ferne durch die dichten Bäume ein Licht auf und freudig[751] athmete der Verlassene auf, denn wo ein Licht war, da mußten auch Menschen sein. Und er sprach seinem Rößlein Muth ein und wie wenn dasselbe seine Worte verstände, wieherte es ihm fröhlich entgegen und raffte sich auf und so zogen beide mit einander dem Lichte nach. Freilich hatten sie einen langen Weg bis dahin zu durchwandeln, allein endlich erreichten sie es doch, es war ein Feuer, welches die Todtengräber auf dem Kirchhofe zu Lügde zur Zeit der furchtbaren Pest, welche man den schwarzen Tod nannte, angezündet hatten. Als aber dasselbe erlosch, gerade als der Ritter es erreicht hatte, da sank er auf seine Kniee und dankte dem Herrn, daß er ihn aus Lebensgefahr gerettet hatte, und that ein Gelübde, eine Stiftung zu machen, daß jede Nacht hier eine Leuchte angezündet werden solle, welche verlassenen Wanderern den Weg hierher zeigen solle. So ist es auch geschehen und noch heute brennt die Ampel, erhalten von der frommen Spende des Ritters und anderer Gläubigen.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 1, Glogau 1868/71, S. 751-752.
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