803. Reck von Volmarstein und seine Dame.924

[754] Ein Reck von Volmarstein war weit und breit in den Gauen des Rheins und Westphalens als der tapferste Ritter bekannt, dessen Lanzenstoß und Schwerthieb Keiner zu widerstehen vermochte. Daß er der Ritter eines edlen Fräuleins war, für die er nach der Sitte jener Zeiten kämpfte, wußte und sah Jedermann an dem silberfarbenen Schleier, der von seinem Helme und Fähnlein wehete. Wo aber dieser Schleier wehete, da war auch stets der vollkommene Sieg. Darob freute sich aber der Kaiser gar höchlich und fragte ihn scherzend, warum er sich keine eheliche Hausfrau wähle, da er doch so große und reiche Besitzungen und des Ruhmes und der Ehre so vollauf habe, und, fuhr er fort, wenn er selbst sich keine wählen könne, wolle er ihm seine Base zur Ehe geben. Auf diese Rede des Kaisers färbte sich aber des Ritters Angesicht dunkler und feierlich ernst antwortete er: »Mein Herr und Kaiser, was Ihr mir auch Schönes und Herrliches anbietet, ich kann es nicht annehmen, denn ich bin längst verlobt!« Der Kaiser von diesem Geständniß angenehm überrascht, wünschte ihm Glück und verlangte den Namen[754] seiner Verlobten zu wissen. Der Ritter aber versicherte, er könne selbigen nicht aussprechen, denn er habe mit Hand und Mund gelobet, denselben gegen Jedermann zu verschweigen. Da versetzte der Kaiser: »Ich will Dein Gelübde lösen; doch nennst Du mir jetzt nicht gleich den Namen Deiner Verlobten, so sollst Du meinen Zorn fühlen!« – »Mag dieser auch hart und schwer sein und mag es mich noch so sehr schmerzen, meinem Kaiser hierin ungehorsam sein zu müssen, ich kann mein Wort nicht brechen«, antwortete der Ritter, nahm seinen Helm und wandte sich zu gehen. Aber der Kaiser ließ ihn nicht von sich, sondern sagte, seine Drohung sei nur Scherz gewesen, er erlasse es ihm, den Namen seiner Verlobten ihm zu nennen, da er ihm doch keine Freude machen werde. Der Ritter aber, die Worte des Kaisers so deutend, als ob er seine Verlobte von verächtlichem oder niederem Stande halte, vermochte kaum seinen Zorn ob solchem Argwohn zu verbergen und versicherte, daß seine Verlobte an Stand, Macht und Sitte nicht geringer sei als der Kaiser und eine größere Schönheit weder im Himmel noch auf Erden zu finden sei, als seine Holde, wenn sie am Ufer auftauche im silbernen Gewande! Alle erstaunten ob dieser Rede und im Kreise der Höflinge erhob sich ein spöttisches Murmeln. Der Ritter von der Recke aber erbleichte, denn er hatte im Liebeseifer sein Geheimniß verrathen. Doch bald erhob er sich wieder und tobte wie ein Rasender hinaus in die Nacht und von seinem Helme wehte ein schwarzer Schleier. Der nächste Morgen rief ihn zum Kampfe und allen Streitern voran wehte wie ein Panier der schwarze Schleier, aber Recks hoher Helm und sein Fähnlein fielen und der Schleier, roth von edlem Blute, deckte die Gefallenen.

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S. Ziehnert Bd. III. S. 121.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 1, Glogau 1868/71, S. 754-755.
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