38. Die Erfindung der Solinger Klingen.

[50] (Nach Kiefer S. 24 etc.)


Der Ort Solingen ist schon seit dem Mittelalter durch seine Waffenschmiede berühmt gewesen, allein gleichwohl standen die Arbeiten derselben noch bei weitem dem nach, was die Waffenfabriken von Damascus leisteten. Nun zersann sich namentlich einer der geschicktesten Waffenschmiede, Ruthart, den Kopf, wie es ihm gelingen möge, den Stahl seiner Klingen so zu härten, daß diese denen der Saracenen gleich würden. Er machte Versuche über Versuche, aber alles umsonst und deshalb war der Meister auch stets mißgelaunt und unzufrieden. Es konnte also auch nicht fehlen, daß, als sein bester Geselle, der aber freilich ein armer Bursche war, ihn um die Hand seiner einzigen Tochter ansprach, er diesen Freiwerber kurzweg abwies und erklärte, es solle Keiner seine Tochter zur Frau bekommen, der nicht im Stande sei, eine Klinge zu schmieden, wie die, welche er in einem seiner Schränke bewahrte. Zur Probe nahm er diese, eine ächte Damascenerklinge, heraus und hieb zum Beweise der außerordentlichen Härte des Stahls mit derselben einen Nagel von der Wand, ohne daß die Klinge den geringsten Schaden bekam. Traurig vernahm der Jüngling diese strenge Bedingung, er beschloß aber Alles daranzusetzen um sie zu erfüllen, und darum nahm er von seiner Geliebten Abschied und machte sich auf um in den Orient zu ziehen und dort die Kunst zu erlernen.

So war er bereits mehrere Tage gewandert, da überraschte ihn der Abend in den düstern Gründen des Spessart. Er gab schon alle Hoffnung auf, für diese Nacht noch ein Obdach zu finden, da sah er plötzlich in weiter Ferne ein Licht blinken. Er ging darauf zu und fand, daß es aus einer elenden Hütte kam. Er pochte an die niedere Thüre und nach langem Harren öffnete ihm endlich ein altes häßliches, zahnloses Weib. Sie fragte ihn nach seinem Begehr, und als er sie inständig gebeten hatte, ihm dem Verirrten doch für diese Nacht eine Herberge zu gewähren, gestand sie ihm dieselbe auch zu, jedoch mit dem Bemerken, daß sie ihm nur ein niedriges Kämmerchen einräumen könne, weil sie für diesen Abend noch einen andern Besuch zu erwarten habe. Sie hieß ihn jedoch vorher in ihre Stube kommen, um Theil an ihrer Abendsuppe zu nehmen. Obgleich der Anblick der alten Frau mehr Schrecken erregend als Vertrauen einflößend war, so[50] nahm er doch ihr Anerbieten dankbar an und erzählte ihr auch, auf ihr Befragen, wo er denn hinwolle, getreulich die Ursache und das Ziel seiner Reise. Hierauf brachte ihn die Alte nach seiner Lagerstätte, er konnte aber sonderbarer Weise nicht einschlafen. So kam die Mitternachtstunde heran, da hörte er auf einmal einen schweren Fall, als wenn ein harter Gegenstand durch den Rauchfang herunterkäme. Er erhob sich leise von seinem Lager und schlich sich an die dünne Brettwand, welche sein Kämmerchen von der Wohnstube trennte. Da gewahrte er auf einmal am Heerde einen langen, finster und zornig ausschauenden Mann sitzen, er trug einen rothen Koller und Hut mit einer Hahnfeder, seine Füße aber hatte er in die Asche unter dem Heerde gesteckt und die Alte stand wie eine Bittende vor ihm und schien ihm etwas vorzutragen, was aber, konnte er nicht verstehen. Auf einmal aber drehte sich die Alte herum und wandte sich nach der in seine Kammer führenden Thüre, er warf sich daher schnell wieder aufs Lager und stellte sich schlafend, die Alte aber öffnete die Thüre, schüttelte ihn und sagte, er solle flugs aufstehen, in der Stube sei Jemand, der ihm die Reise ins Morgenland ersparen könne. Natürlich sprang er schnell auf und folgte der Alten in ihre Stube, wo der lange fremde Mann am Heerde saß und wie es schien dem Kochen eines über dem Feuer stehenden Kessels zuschaute. Als er vor ihn getreten war, schaute sich derselbe nach ihm um und fragte ihn mit einem Blicke, was sein Begehr sei. Der Jüngling wiederholte ihm, was er der Alten bereits erzählt hatte, da lachte der Fremde und sprach: »Ich weiß, was Du zu wissen begehrst, allein ich thue nichts umsonst. Ich will Dich die Kunst Schwerter die ebenso hart, ja noch härter sind als die Damascener, zu schmieden lehren, aber nach 7 Jahren und 7 Monaten mußt Du Dich dafür mir zu eigen geben. Thust Du es übrigens nicht, so nützt es Dir auch nichts, denn Du wirst nie aus dem Morgenlande zu Deiner Braut zurückkehren!«

Der arme Bursche überlegte nicht lange, sondern nahm die Hahnenfeder, welche der Lange aus seinem Hute genommen und in den Kessel getaucht hatte, und schrieb damit seinen Namen unter ein Pergament, welches ihm jener hinreichte, empfing aber dafür einen versiegelten Brief, worin, wie der Fremde sagte, das Recept zu den Klingen stehe. Hierauf begab er sich wieder in sein Kämmerchen und verbrachte den Rest der Nacht in wüsten Träumen. Als er aber am andern Morgen erwachte, fand er die Hütte leer und nur der versiegelte Brief bewies ihm, daß er nicht geträumt habe. Er kehrte hierauf schnell wieder nach Solingen zurück und gestand schließlich seinem Meister, der sich über seine so schnelle Rückkehr nicht wenig wunderte, das was er erfahren und gethan hatte. Der aber war ein frommer und rechtschaffener Mann und sagte, er wolle um alles in der Welt nicht, daß er sein Seelenheil um jenes Geheimnisses halber aufs Spiel setzen solle, darum solle der Brief versiegelt bleiben und bis auf die Zeit seiner Enkel in dem geheimsten Winkel seines Schrankes verwahrt werden, diese möchten ihn dann eröffnen, ihnen könne dann der böse Feind nicht mehr schaden. Gleichwohl aber gab er dem Gesellen nunmehr seine Tochter zur Frau, weil er gesehen hatte, daß er es mit seiner Liebe doch ernstlich gemeint habe. Nach langen Jahren aber, als der alte Ruthart längst heimgegangen und sein Schwiegersohn selbst schon ein hochbetagter Greis war, da fand sein[51] Enkel den Brief, öffnete ihn und erlernte aus ihm die Kunst jenen so harten Stahl zu bereiten, durch den die Solinger Waffenschmieden so berühmt worden sind.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 50-52.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Sagenbuch des Preußischen Staats
Sagenbuch des Preußischen Staats: Erster Band
Sagenbuch des Preußischen Staats: Zweiter Band
Sagenbuch des Preußischen Staats: Erster Band
Sagenbuch des Preußischen Staats: Zweiter Band