46. Die verbrannten Ketzer zu Cölln.

[59] (Nach Caesar. Heisterb. V. 19.)


Zur Zeit des Erzbischoffs Reinald von Dassel (1159-67) ergriff man zu Cölln mehrere Ketzer, welche vor das geistliche Gericht gestellt, verhört und des Abfalls vom Christenglauben überführt, dem weltlichen Gerichte übergeben und von diesem zum Feuertode auf dem Domhofe verurtheilt wurden. Als nun der Tag der Hinrichtung gekommen war, den alle Verurtheilten mit beispielloser Standhaftigkeit hatten herankommen sehen, wurden sie beim Austritt aus dem Gefängniß zusammengebunden und unter Begleitung geharnischter Männer über die Severinsstraße auf den sogenannten[59] Judenkirchhof geführt, um dort den Feuertod zu leiden. Dort verlangte einer derselben, mit Namen Arnaldus, den die Uebrigen als ihr Haupt verehrten, ein Stück Brod und einen Becher mit Wasser zum Trinken. Allein dies ward ihm verweigert, damit er nicht etwa irgend ein teuflisches Werk damit ausführen könne, sondern Alle auf einen Scheiterhaufen gestellt. Mitten in der Gluth aber erhob sich Arnaldus und legte seine Hände auf die bereits halbverbrannten Häupter seiner Schüler und sprach laut die vernehmbaren Worte: »Bleibt standhaft in Euerem Glauben, noch heute werdet ihr bei Laurentius sein.« Unter diesen Unglücklichen befand sich aber eine Jungfrau von äußerst schöner Gestalt und mit den wunderbarsten Reizen begabt. Dieselbe sollte zwar ebenfalls ihres Abfalls vom römisch-katholischen Glauben wegen an jenem Tage den Feuertod erleiden, allein von ihrer Schönheit gerührt bot man ihr das Leben an, wenn sie in ein Kloster treten oder sich augenblicklich mit einem guten Christen verheirathen wolle. Das Mädchen aber hielt die Leiber der schon erstickten oder halbverbrannten Leidensgefährten fest umschlungen und die Zuschauer legten dieses ihr Zaudern als den Anfang zur Umkehr und Reue aus. Da fragte sie plötzlich die Henkersknechte: »Wo liegt Arnaldus mein Lehrer, den Ihr meinen Verführer zu nennen beliebt?« Und als dieselben ihr den schon halbverkohlten und nicht mehr kenntlichen Körper desselben gezeigt hatten, da entschlüpfte sie plötzlich ihren Händen, ohne daß sie es hindern konnten, verhüllte ihr Angesicht mit ihren Kleidern, stürzte sich in die Flammen und indem sie die Ueberreste ihres Lehrers und Meisters umschlang, theilte sie freiwillig das Loos ihrer Schicksalsgenossen.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 59-60.
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