111. Die Weingötter am Rhein.

[128] (Nach Dielhelm S. 678. u. Bechstein, deutsches Sagenbuch S. 65. Geib S. 571. Kaufmann, Quellen S. 92.)


Der Stadt Bacharach gegenüber bei der Insel Wirth, sonst auch der Heiligenwirth genannt, liegt mitten im Rheinstrom unter dem Wasser ein großer viereckiger Stein, der aber nur bei klarem Wasser gesehen werden kann. Es befindet sich daneben zu allen Seiten eine große Tiefe gleich einem Tisch, auf welchem bis fünfundzwanzig Personen stehen können, und darauf sind viele alte Schriften und Namen eingehauen, die aber ihres Alters halber nicht mehr alle können gelesen und verstanden werden. Dieser Stein wird der Aelterstein oder Altarstein, lateinisch Ara Bacchi genannt. Nach der Meinung etlicher alten Schriftsteller hätten zu der Römer Zeiten die heidnischen Bewohner dieser Gegend auf diesem Steine ihren Göttern und besonders dem Weingott Bacchus geopfert und denselben feierlich verehrt.[128] Es kommt aber dieser Stein sehr selten und nur bei heißen und trockenen Jahren zum Vorschein, wenn das Rheinwasser sehr niedrig ist, wie solches z.B. in den Jahren 1654, 1695, 1719, 1750 etc. der Fall gewesen ist. Damals hat man die Gewohnheit unter den Rheinschiffern gehabt, daß man eine Strohpuppe als Bacchus aufputzte und dieselbe auf diesem Altarstein befestigte. Zu Kaub, nahe der alten Burg Pfalzgrafenstein mitten im Rheinstrom, wo vor Zeiten aller Pfalzgrafen Wiege stand, weil aller Pfalzgräfinnen Wochenbett dort aufgeschlagen werden mußte, lebt noch eine Sage von einem wunderlichen Heiligen, Theonest, dessen Name wie eine Verstümmelung des griechischen Wortes Dionysos (Bacchus) klingt. Dieser Theonest soll aber ein christlicher Märtyrer gewesen sein, der in Mainz bis auf den Tod gefoltert worden war, dem es aber gelang, in einer Weinkufe statt eines Nachens auf dem Rheinstrom zu entkommen und sich abwärts tragen zu lassen. Je weiter Theonest fuhr, desto wohler ward ihm zu Muthe, und so landete er denn bei Kaub in seiner Kufe an, predigte das Christenthum und pflanzte Weinreben und zwar süße Trauben tragende, die kelterte er zuerst in seiner Kufe und davon nahm der Ort, den er hier am Strome gründete, den Namen Kaub an, und in das Stadtsiegel nahmen hernach dankbar die Kauber das Bild des h. Theonest, in seiner Kufe sitzend, als ihr Stadtwappen und führen es in ihrem Siegel.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 128-129.
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