112. Die sieben Schwestern.

[129] (Nach Bechstein, deutsches Sagenbuch S. 86. Eine andere Sage davon wird erzählt in den Ruinen [Wien, 1834] Bd. I. S. 135 etc.)


Am Rhein unterhalb dem Pfalzgrafenstein steht heute noch eine Burgruine, Schloß Schönberg genannt. Darauf sollen dereinst sieben schöne Ritterfräulein gehaust haben, deren Schönheit dem Schlosse den Namen verlieh. Aber so groß auch die Reize dieser sieben Fräulein waren, eben so stark war auch ihre Abneigung gegen die Liebe; keines Ritters Bewerbung erhörten sie, einen Freier nach dem andern wiesen sie ab, manches edle junge Herz brach an den Felsenherzen der sieben Schwestern. Aber das Geschick beschloß ihre Strafe. Eines Tages landete ein Nachen unten am Fuße des Berges, darin saßen sieben ritterliche Jünglinge in kostbarer Tracht und von vornehmem Gebahren. Sie kamen zur Burg, stellten sich den Fräuleins vor und warben um ihre Hand. Es war aber Alles vergebens, die Schwestern blieben kalt. Mit einem Male verdunkelte sich der Himmel, eine höllische Musik ertönte, die Jünglinge umschlangen die sieben Schwestern, jeder eine, wie zum Tanzreigen und schwangen sich tanzend und drehend aus der Burg, über die Zugbrücke, den Berg hinab in den Strom hinein, der stürmisch unter Donnern und Blitzen wogte. Als es aber am reizenden Strome wieder hell und friedlich geworden war, siehe, da ragten sieben Felsenspitzen aus dem Strome, in diese waren die Jungfrauen mit den Felsenherzen zur Strafe ihrer unnatürlichen Härte verwandelt. Größere Fluth überragt sie, kleinere läßt sie sichtbar werden. Die Rheinschiffer kennen sie unter dem Namen der sieben Jungfern und haben unter sich die Sage, wenn ein Mächtiger diese Felsen dem Strombette enthöbe und sie zu Säulen einer[129] Betkapelle bilde, so würden die Jungfrauen erlöst werden, wieder auf die sich erneuernde Burg zurückkehren und jede nach der Jahrhunderte langen Buße einen Mann beglücken.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 129-130.
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