c) Die große Forelle im Eselsbrunnen.

[234] Achthundert Schritte von der Burg Kynsberg, an der Thalseite des Schloßbergs ist der Eselsbrunnen, aus dem die noch jetzt auf der Burg wohnenden Leute ihr Koch- und Trinkwasser holen, weil sie das Wasser des tiefen Windebrunnens im Schloßhofe für ungesund halten. Weil aber zum Hinaufschaffen des Wassers ein Esel verwendet wurde, so hieß der Brunnen der Eselsbrunnen. Nun hatte einer der früheren Burgherrn, um das Wasser im Brunnen rein und klar zu halten, eine große Forelle hineinsetzen lassen und der Eseltreiber hatte darauf zu achten, ob die Forelle noch darin sei. Einst stand nun der Burgherr bei einer mondhellen Nacht im obern Saale und schaute am Schloßberge hin, da sah er einen Mann beschäftigt, den Brunnen auszuschöpfen. Da nahm er sein Sprachrohr und rief ihm mit mächtiger Stimme zu: »Laß die Forelle stohn, sonst ist der Strang Dein Lohn!« Aber der Fischer ließ sich nicht stören; der Brunnen war bald ausgeschöpft; der Dieb eilte flüchtig mit der Forelle davon und ließ sie sich herrlich schmecken. Als nun aber der Eseltreiber am nächsten Morgen mit seinem Esel hinkam, sah er die Forelle nicht mehr; er machte also hierüber Anzeige beim Burgherrn und dieser ließ den Dieb, den er genau bezeichnen konnte, zur Strafe wirklich henken.

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Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 234.
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