291. Die Sagen von der Brünnelhaide und dem Fuhrmannsberg.

[351] (Nach Kastner, Einiges über Sagen. Neisse 1845 S. 13 etc.)


Die westliche gewaltige Hochgebirgsgruppe des Gesenkes endigt südöstlich mit dem Rücken der Brünnelhaide, die auch der rothe Berg genannt wird. An dem Abhange derselben, einer kahlen, von aller Vegetation entblößten Stelle gegen das Thal der rauschenden Theß, steht ein hölzernes Kirchlein, darunter deckt ein hölzernes Häuschen den Ursprung einer Quelle, von welcher der Berg den Namen hat. Dieselbe, welche nie versiegt, gilt für wunderthätig und ward dadurch entdeckt, daß einst in dieser Gegend vor langen Jahren ein Waidmann einen Hirsch anschoß, so daß derselbe aus einer tiefen Wunde schweißte. Das edle Thier schlug an der Stelle, wo jetzt der Brunnen hervorquillt, mit seinem Hufe die Erde, augenblicklich quoll Wasser hervor, das Thier schlürfte davon und ließ die Flüssigkeit in die klaffende Wunde träufeln. Diese schloß sich und das Edelwild schoß pfeilschnell über den Abhang des Berges davon. Der Jäger, der dieses Wunder gesehen, kam später in weite Entfernung ins Mährische Flachland und wurde dort schwer krank. Alle Heilmittel, die er anwendete, waren fruchtlos. Da erinnerte er sich der Quelle im Gebirge, die den Hirsch so wunderbar hergestellt hatte. Voll Vertrauen, daß sie eine geheime Kraft besitze, verlangte er flehentlich, man möge ihm einen Trunk aus derselben verschaffen. Dieser Wunsch ward ihm erfüllt und er genaß. Das hölzerne Kirchlein birgt ein Gnadenbild der schmerzhaften Mutter Gottes, zu dem aus Schlesien, Mähren und Böhmen viel gewallfahret wird.

Gegenüber der Brünnelhaide zieht sich lang gestreckt der Fuhrmannsberg hin, so genannt, weil auf seinem Rücken ein gewaltiger, aus einer Menge horizontal auf einander geschichteter Steine bestehender Fels emporragt, der aus der Ferne gesehen die Gestalt eines Wagens mit Pferden und einem Fuhrmanne hat. Von ihm wird erzählt, einst habe ein Fuhrmann dort in Kriegszeiten Brod über das Gebirge gefahren, an dieser Stelle den schwer beladenen Wagen hemmen wollen, aber, weil er keinen Stein gehabt, dazu Brod verwendet und sei zur Strafe für diese Verachtung der Gottesgabe sammt seinen Pferden in Stein verwandelt worden.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 351.
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