319. Die Erbauung der Jacobskirche zu Görlitz.

[376] (S. Haupt Bd. II. S. 75.)


Zu Anfange des 15. Jhdts. sollte ein angesehener Bürger zu Görlitz, Namens Frenzel, eines begangenen Verbrechens wegen hingerichtet werden. Um nun bei Gott Vergebung für seine Sünden zu erlangen, bestimmte er einen großen Theil seines Vermögens zur Erbauung einer Kirche an der Stelle, wo er seinen Geist werde ausgehaucht haben. Damit nun dies aber nicht auf dem Richtplatze geschähe, weil an diesem verfehmten Orte doch ein Gotteshaus nicht hätte errichtet werden dürfen, so verordnete er, sobald er enthauptet sein würde, solle man den Rumpf mit einem Stück Rasen bedecken, zwei Personen sollten ihn unter die Arme nehmen und soweit fortführen, bis er zusammenbrechen werde. Wie gesagt, so geschehen. Er ward vor dem Frauenthore auf dem dasigen freien Platze enthauptet und lief ohne Kopf bis dahin, wo jetzt die Jacobskirche steht, die aus dem von ihm dazu[376] bestimmten Legate erbaut worden ist. Sein übriges Vermögen vermachte er sodann seiner Wittwe zur Errichtung eines Hospitals. Ein in der Sakristei der Kirche aufbewahrter Stein ist aus dem Rasenstücke, welches zur Stillung des Blutes gedient hatte, entstanden, indem derselbe nach und nach versteinerte. Auf einem alten Altartuche ist der von zwei Personen geführte Hingerichtete mit dem Rasen auf dem geköpften Rumpfe in kunstvoller Weberei dargestellt und das Standbild seiner Wittwe mit ihren beiden Kindern auf den Armen steht ebenfalls noch aus Stein gehauen in der Kirche.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 376-377.
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