365. Die Raubmönche zu Stettin.

[426] (Nach Temme S. 116.)


In der Stadt Stettin stand ehedem auf der jetzigen Königsstraße ein Mönchskloster und daneben wohnte ein Bäcker, dessen Haus übrigens noch heute gezeigt wird. Derselbe hatte eine sehr schöne Tochter, in welche sich ein vornehmer Herr verliebte. Da derselbe nun wußte, daß das Mädchen täglich Brod ans Klostergitter brachte, so wendete er sich an die Mönche und bot ihnen viel Geld, wenn sie dasselbe ins Kloster locken und ihm in die Hände spielen wollten. Dies thaten sie auch; als jene wieder ans Gitter kam, wußten sie sie zu veranlassen, ins Kloster zu treten, ergriffen sie und sperrten sie in ein unterirdisches Gewölbe. Von dem Mädchen aber hörten ihre Eltern nichts wieder, es blieb verschwunden. Die Mönche, die sich mit dergleichen Menschenraub überhaupt befaßt zu haben scheinen, hatten aber[426] auch einen Knaben geraubt und denselben in ein Gewölbe gesperrt, welches an das grenzte, wo das Mädchen saß. Diesem gelang es, sich durch die Klosterkirche zu flüchten, und als er in die Stadt kam, da sagte er auch, wo das todtgeglaubte Mädchen sei. Als nun das Gericht ins Kloster drang und nachsuchte, fand man auch richtig die Gefangene, befreite sie und hob das Kloster, welches eine förmliche Räuberhöhle geworden war, auf.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 426-427.
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