391. Der Kalandsornat zu Stralsund.

[447] (S. Haken, Pommersche Provinzialblätter Bd. IV. S. 90 etc.)


Auf der sogenannten Achtmannskammer zu Stralsund befinden sich zwei Schränke, diese heißen die Kalandsschränke, sie haben der sogenannten Kalandsbrüderschaft gehört, sind doppelthürig, schmal und ruhen auf sehr hohen Füßen. Die Thüren sind auswendig bemalt. Auf der einen steht ein Priester, die rechte Hand zum Segensprechen ausgestreckt, unter dem linken Arme ein Buch haltend, auf der andern sieht man einen Mann in weltlicher Kleidung, einen speerähnlichen Stab in der Hand, vor sich einen Knaben mit einem Buche. In diesen Schränken liegen zwei Chorhemden und ein Meßgewand von schwerer Seide, reich mit Gold und künstlichen Figuren gestickt, eine Mütze von geblümtem seidnem Zeuge an beiden Seiten aufgeschlagen, ein Beutel ebenfalls gestickt und zum Tragen des Gebetbuches bestimmt, und ein kleines seidnes gesticktes Kissen, an den Enden wie eine Bratwurst zusammengebunden. Wer sich aber untersteht, diesen Ornat eines Kalandsbruders anzurühren oder mit ihm Spott zu treiben, dem bekommt es schlecht. Einst bekleidete sich ein Stralsunder Bürgermeister trotzdem, daß ihn Jedermann warnte, damit, am andern Morgen fand man ihn todt im Bette. Das war die Rache der Kalandsbrüder.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 447.
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