407. Die Brunnenkette zu Pudagla.

[455] Von Pudagla nach Mellenthin auf der Insel Usedom führte ehedem ein unterirdischer Gang, der ist aber jetzt zugemauert, und das kam so:

Lange nachdem das Kloster Pudagla eingegangen war, wollte man mehrmals den Gang untersuchen, um zu wissen, ob er auch wirklich nach Mellenthin führe, aber Keiner konnte es ergründen und Alle kehrten unverrichteter Sache wieder zurück. Da wurde gerade einmal eine Frau dort zum Tode verurtheilt und man machte ihr den Vorschlag, sie solle in den Gang hinuntersteigen und ihn untersuchen, dann solle ihr das Leben geschenkt sein. Darauf ging sie ein, stieg hinab und nachdem sie schon sehr weit gegangen war, kam sie an eine große eiserne Thüre, die sprang von selber auf, und sie sah auf einmal eine große Zahl von kleinen Zwergen mit langen grauen Bärten um einen Tisch sitzen, die fragten, was ihr Begehren wäre. Da erzählte sie nun alles, wie es gekommen, daß sie herabgestiegen, und darauf sagte einer der Zwerge: »Ist das so, so sollst Du diesmal ungestraft wieder hinaufkommen, aber sage denen da oben, sie möchten uns hier nicht wieder stören.« Darauf bat sie, man möge ihr ein Wahrzeichen mitgeben, womit sie ihre Aussage bekräftigen könne und erhielt auch als solches eine lange Erbsranke, mit der stieg sie wieder hinauf und berichtete alles, was sie gesehen, und als sie nun das Wahrzeichen vorbrachte, da verwandelte es sich vor aller Augen in eine schwere eiserne Kette, die nun zum ewigen Andenken am Soot befestigt wurde, wo sie noch bis auf den heutigen Tag hängt. Der Gang aber wurde darnach zugemauert, damit Niemand wieder die Unterirdischen in ihrer Wohnung störe.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 455.
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