417. Teufel als Mädchen.

[458] Auf der Insel Usedom lebte einmal ein Edelmann, der führte ein gar sündhaftes und wüstes Leben, und stellte namentlich jungen Mädchen nach, so daß nur wenige seinen Netzen entgingen. Da fuhr er auch einmal am Strande des Meeres hin und sah von fern eine Kutsche, in der ein schönes Mädchen saß, daherkommen; sogleich sprang er aus dem Wagen und wollte zu ihr, als ihm sein Kutscher noch nachrief: »Herr, seht ihr nach den Füßen, seht ihr nach den Füßen!« Da blickte er hin und bemerkte, daß das Mädchen einen Pferdefuß hatte; sogleich prallte er zurück, aber in demselben Augenblick sprang das Mädchen aus dem Wagen und eilte hinter ihm her. Er hatte sich nun in seinen Wagen geworfen und stürmte in wilder Eile nach Haus, aber dicht hinter ihm folgte das Mädchen mit lang aufgelöstem fliegenden Haar. Endlich kam er vor seinem Hause an, stürzte schnell hinein, riegelte die Thür hinter sich zu und eilte hinauf bis unter den Giebel des Daches, um zu sehen, ob seine grause Verfolgerin noch da sei. Da sieht er, wie sie[458] sich gleich einer Katze an der Wand emporrichtet, höher und höher klimmt, und jetzt ist sie oben; da reißt er in rasender Angst seine Flöte von der Wand und bläst:


Herr, ich habe mißgehandelt,

Ja, groß ist der Sünden Last,

Habe nicht den Weg gewandelt,

Den Du mir gezeiget hast.


Und mit dem letzten Ton war auch das Mädchen verschwunden; der Edelmann that Buße und begann ein neues Leben.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 458-459.
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