471. Der Teufel zu Greifenberg.

[497] (S. Micrälius Bd. II. S. 107 etc.)


In Greifenberg hat sich im Jahre 1623 eine unerhörte Begebenheit mit einem Knaben, dem Sohne eines Kammerherrn zugetragen. Seine beiden Eltern waren ihm und sechs andern unerzogenen Kindern im sechsten Jahre seines Alters mit Tode abgegangen und er war zu seines Vaters Schwester Mann gebracht und in dessen Kost zur Schule gehalten worden. Derselbe hat ihn aber im eilften Jahre seines Alters nicht länger bei sich haben wollen, sondern ihn wegen nicht erfolgtem Kostgeld, dessen ihm wenig von seinen Eltern nachgelassen war, von sich gejagt, daß er in die Irre gerathen, von einem Freunde zum andern gelaufen und sich endlich vorgenommen hat, nach Danzig einen Versuch zu thun, ob er daselbst von seiner Mutter Freunden untergebracht werden könne. In diesen Gedanken legte er sich in der Freitags-Nacht einmal gar traurig in den Brodscharnen, um sein Nachtlager daselbst zu halten. Es kommt aber der böse Feind in Gestalt eines schwarzen Mannes zu ihm, nach eilf Uhr in der Nacht, verspricht ihm, so er nach 12 Jahren sein eigen sein und ihm darüber eine Handschrift mit seinem Blute geben würde, daß er ihm allenthalben, da er es nur begehrte, die Schlösser eröffnen und ihm die ganze Zeit über genug verschaffen wollte, bringt auch, als der Knabe seinen listigen Versuchungen nicht zu widerstehen weiß, Papier und Feder, heißt ihn in den Mittelfinger der rechten Hand schneiden, das Blut daraus in die Feder fassen und die Handschrift stellen. Er thut's und das Blut, als er davon genommen, stillt sich sofort im Finger, daß es am Schreiben ihn nicht hinderte. Es war auch, als der Geist zu ihm gekommen, helles Licht geworden, daß er um sich sehen können, und also hat er die Handschrift, wie sie späterhin Johannes Micrälius, der Schulrector zu Stettin, in den Akten mit eigenen Augen gesehen, in acht Zeilen mit solchen Worten verfertigt, daß er seinen Gott verschwöre und dafür bekenne, was er begehre,[497] und nicht wieder zurückkehren könne und nach zwölf Jahren sein eigen mit Leib und Seele sein wolle. Darauf stellt ihm der Teufel ein Buch zu, inwendig mit rothen gehörnten Thieren bemalt und mit etlichen Buchstaben beschrieben, die als hebräisch, wie hernach der Knabe gesagt, ausgesehen, und sagte dabei, wenn er solches bei sich habe, sei es eben so viel, als wenn er selber bei ihm wäre. Hierauf ist er dieselbe Nacht, als im Schlafe, bis gen Danzig und an die Olive geführt, und als er wieder anheimgekommen, hat er sich anerboten, andern Knaben solches Buch, dessen Kraft er gespürt, mitzutheilen, daß sie die abergläubischen Sachen daraus verzeichnen sollten. Es ist aber solches kund und verhindert worden, und weil der Knabe Alles ins Leugnen zog, erachteten seine Freunde als ein erdichtetes und eigebildetes Ding, was von seinen bösen Künsten ausgesprengt ward.

Dem Knaben brachte der Geist Geld an lauter halben Groschen oder Göttingen, wenn er es nöthig hatte, er mußte gleichwohl, damit man das Geld nicht bei ihm spüren mochte, in zerrissenen Kleidern einhergehen, bei keinem Herrn und Meister, deren er in wenig Jahren, durch Verschaffung seiner Vormünder in Braunsberg, Danzig, Treptow, Rügenwalde und Colberg bei vierzehn gehabt hat, lange verharren, der Schule und Kirche, wie auch des Gebetes sich enthalten, und wenn ihn ja einer von seinen Herrn nöthigte, das Gebet vor der Mahlzeit zu sprechen, alles Essen, so durchs Gebet gesegnet war, wieder von sich brechen. Als er nun über das fünfte halbe Jahr in solchem Beginnen zugebracht und endlich am 28. Oktober des Jahres 1623 nackend und bloß zu Greifenberg angekommen, hat der Geist ihn durch eine Stimme ermahnet (denn er hatte sich seit der ersten Versuchung nicht sehen, sondern nur hören lassen), er solle zur Nacht in eines seiner Freunde Haus gehen und daselbst Geld holen, welches er auch gethan und eine ansehnliche Summe, so der böse Feind ihm aus den verschlossenen Contoren und Spinden vorgesetzt, hinweggenommen. Darüber ist er betroffen, von der Obrigkeit eingezogen worden und hat alles, was er bisher für Händel geführt, ausgesagt. Ist darauf den Predigern, als N. Dionysio Friedeborn, einem gelehrten und gewissenhaften Theologen, und N. Balthasar Simon, seinem Collegen befohlen, die ihn täglich besucht, auf der Kanzel für ihn gebetet und sich höchlich bemüht haben, ihn aus des Teufels Stricken und Banden zu befreien. Ob sie nun wohl etliche Zeichen der wahren Reue bei ihm spürten, insonderheit weil er sich nach Gottes Tische und der Kirche gesehnet, so hat doch bald darauf der Teufel ihn leibhaftig besessen, aus ihm schreckliche Worte geredet und ihn dahin gebracht, daß er an Gottes Gnade zu zweifeln angefangen. Wenn dann nun die Prediger dem bösen Geist sich tapfer mit Gottes Wort unter die Augen gesetzt, haben sie ihn bisweilen gewonnen, daß er mit zum Beten gebracht ward, bisweilen aber haben sie auch unverrichteter Sache von ihm gehen müssen. Er hat immer in großem Seufzen und Winseln gelegen, und ist, wenn die Paroxysmen eingetreten, voll Schweiß auf dem ganzen Leibe gewesen. Endlich hat er sich, als man von ihm begehret, erklärt, er wolle in die Kirche gehen, öffentlich beichten und sich das Sakrament reichen lassen, und er hat auch die Beichte eines Sonnabends im Beisein etlicher Zeugen, wie wohl mit großem Zittern, Angst und Schweiß gethan. Sobald er aber die Absolution empfangen und wieder in das Gefängniß gebracht worden ist, hat sich der Teufel leibhaftig in[498] voriger Gestalt sehen lassen und das Buch, so er ihm gegeben, der Knabe aber vor diesem mit andern Büchern vergraben, nicht bei demselben wiedergefunden, von ihm gefordert, mit dem Vorwenden, daß er nicht eher seine Handschrift wieder haben solle: dies hatte aber dem Knaben bisher die meiste Angst gemacht. Als der Pastor dazu gekommen, hat der Teufel leiblich durch ihn geredet, und daß er am folgenden Tage nicht zur Kirche kommen solle, gedroht, weil er seinen Theil an ihm habe. Nichts desto weniger hat solche Qual nach Mitternacht aufgehört und der Knabe ist, wiewohl mit Mühe, zur Kirche gebracht worden, da er denn angefangen hat, eifrig zu beten, die Predigt gehört und darauf nach vorhergehendem öffentlichen Gebete seine Handschrift knieend vor dem Altar revocirt, dem Teufel auch mit allen seinen Werken und allem seinem Wesen entsagt, den christlichen Glauben ganz nachgesprochen, sich seiner Taufe und des Bundes, mit seinem Erlöser ausgerichtet, erinnern lassen und ist also mit feinen Geberden zum Tische des Herrn gegangen. Nach drei Tagen hat er wiederum angefangen zu zweifeln und schreckliche Worte zu führen, davon er doch eben so wenig diesmal als zuvor gewußt, wie er wieder zu sich selbst gekommen. Insonderheit machte ihm die Handschrift und die Worte darin, daß er nicht wieder zurückkehren könne, viele Angst. Drum hielt die christliche Gemeinde immerfort an, die göttliche Gnade und Allmacht anzurufen, daß der Teufel gezwungen würde, die Handschrift dem Knaben wiederzubringen, damit er also öffentlich dadurch zu Schanden gemacht würde. Welches gemeine Gebet denn auch soviel gewirkt hat, daß der böse Feind mit einem greulichen Brausen, dadurch der helle Mondschein ganz verfinstert worden ist, in der Nacht nach eilf Uhr zu ihm gekommen ist und ihm die Handschrift an den Kopf geworfen hat, mit diesen Worten: »Ich bin Deinerhalben grausam darum geschoren worden!« Ob nun wohl auch nach der Zeit die teufelischen Anfechtungen angehalten haben, so haben sie sich doch allgemach verringert, und der Knabe ist von der Obrigkeit auf erholten Rath auf freien Fuß gestellt worden und hat sich so wohl gehalten, daß er auch noch unter der kaiserlichen Armee eine Korporalschaft bedient hat.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 497-499.
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