477. Die Vampyre in Cassuben.

[505] (S. Haken, Pommersche Provinzialblätter Bd. III. S. 421 etc.)


Im Lande Cassuben hat es sich sonst zugetragen, daß zuweilen Kinder mit einer ganz feinen Kopfbedeckung, wie ein zartes Mützchen gestaltet, auf die Welt gekommen sind. Will man nun verhindern, daß ein solches Kind, wenn es gestorben, ein Vampyr werde, so muß man ihm das Mützchen79 abnehmen, es trocknen und dann sorgfältig aufbewahren. Bevor nun die Mutter desselben nach ihren Sechswochen zur Kirche und zum Opfer geht, muß sie es verbrennen und die Asche zu Pulver reiben und mit Muttermilch vermischt dem Kinde eingeben. Geschieht dies nicht und stirbt ein solcher mit der Mütze geborener Mensch, bevor er auf diese Weise die Mütze aufgegessen hat, so ersteht daraus das schrecklichste Unglück. Begraben richtet er sich im Sarge auf und verzehrt zuerst alles Fleisch an seinen Händen[505] und Füßen, sammt seinem Sterbehemde. Dann steigt er aus dem Sarge heraus und verzehrt nun die Lebenden, zuerst seine Anverwandten, die nähern und dann die entfernteren; ist Alles todt, dann läutet er die Kirchenglocken im Dorfe und nun muß Alles sterben, Groß und Klein, so weit der Schall der Glocken reicht. Gegen diesen Todtenfresser giebt es nur ein Mittel, man muß ihn ausgraben und mit einem Spaten seinen Kopf vom Rumpfe abstechen.

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Dieser Aberglaube, der sich auf das sogenannte Glückshäubchen der Neugeborenen bezieht, ist hier ganz abweichend erzählt als in Asbjörnsen's Folkeeventyr Nr. 55 S. 339 etc. Asbj. u. Grässe, Nord und Süd S. 97 etc. Grimm, D. Myth. S. 828. Prätorius, Abenteuerl. Glückstopf S. 261.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 505-506.
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