504. Die zwei heirathslustigen Wittwen zu Culm.

[530] (S. Waissel S. 67. Hennenberger S. 49.)


Um das Jahr 1241 als der Herzog Swentipol von Litthauen die deutschen Ritter beim Rensen-See bei Culm geschlagen hatte, waren so viele Männer in dieser Stadt ums Leben gekommen, daß der Bischof dieser Stadt die Wittwen zusammenrief und ihnen Ablaß ertheilte, daß eine jede ihren Knecht zur Ehe nähme, auf daß der Glaube Gottes in diesen Landen nicht vergehe. Da sollten nun eines Tages zwei Bürgerinnen in die Kirche gehen und sahen auf dem Wege unter den Knaben einen Knecht auf der Keulichenbahn spielen. Derselbe war frisch und wohlgestaltet in geringen Kleidern. Da sprach die eine zu ihrer Magd: »Siehst Du jenen Knaben? Laufe hin und bitte ihn und bringe ihn bald mit Dir in mein Haus und behalte ihn da bis ich aus der Kirche komme, es wird sein Schade nicht sein!« Die andere, die bei ihr war, merkte dies wohl und sandte ihre Magd und sprach heimlich zu ihr: »Lauf schnell und lasse Dir jenen Knecht nicht entgehen, bringe ihn mit Dir in mein Haus und thue ihm gütlich, bis ich wieder heim komme!« Nun war aber die letztere Magd behender als die erste, also daß sie den Knecht mit sich heimbrachte. Da nun die Frau aus[530] der Kirche kam, da kleidete sie den Knecht wohl und ließ ihn sich antrauen als ihren Ehemann. Als dies die andere Bürgerin vernahm, daß sie betrogen war, hegte sie großen Neid gegen die andere. Dieser Knecht war aber aus Halle gebürtig und ward dann ein wohlgeachteter und weiser Mann in Preußen.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 530-531.
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