612. Die zwei Pferdeköpfe zu Danzig.

[585] (S. Karl Th. II. S. 31.)


Als die Reformation anfing sich auch in Preußen auszubreiten und auch in Danzig viele Anhänger fand, verlangte bald ein der neuen Lehre zugethaner Theil der Bürgerschaft, daß ihnen eine Kirche eingeräumt werde. Es fanden deshalb im Schooße des Rathes heftige Auftritte statt, weil der alte Glaube hier zahlreiche und eifrige Anhänger zählte. Bei einem solchen Streite rief einer der begeistertsten Vertheidiger des Katholicismus aus: »Ebenso wenig wie mich meine beiden Schimmel bei meiner Nachhausekunft aus dem Bodenfenster meines Hauses mit freudigem Gewieher empfangen werden, ebenso wenig wird die neue Lehre von Bestand sein!« Allein wie ward ihm, als er nach Hause zum Essen zurückkehrte, schauten seine zwei Pferde aus dem Giebelfenster des Oberbodens herab auf die Straße. Kein Wunder, daß er dieses Wunder für einen Befehl Gottes ansah, zum Lutherthum schleunigst überzutreten. Zum Andenken ließ er auch jene Pferdeköpfe an dem Giebel in Stein aushauen, wo man sie heute noch in der Jopengasse sehen kann.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 585.
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