634. Die Bauern von Lichtenau und ihre Streiche.

[598] (S. Hennenberger S. 257.)


In Groß-Lichtenau, einem Kirchdorfe im großen oder Marienburgischen Werder unter Conrad von Jungingen, dem XXII. Hochmeister, waren stolze und gottlose Leute; sie hatten sich verschworen ein ganzes Jahr nicht aus dem Kruge zu kommen, darin sie große Schalkheiten, eine nach der andern begingen. Es kam in dies Dorf von Danzig ein weiser Mönch, Montags vor Corporis Christi, terminiren und ging in den Krug zu den fröhlichen Bauern, die schenkten ihm ein. Da er trunken ward hießen sie ihn einen Narren, einen Mönch, der Mann aber ward zornig, hieß sie Esel, Ochsen, Sauen, Ackerschollen. Dies verdroß die Bauern, doch fürchteten sie sich vor den Bann, durften ihm nichts thun. Er aber sprach: »So ich nicht mehr denn[598] Euer schonte, ich wüßte wohl, was ich thun wollte.« Die Bauern hielten vor der Thür einen Rath und vier hielten draußen vor der Thüre einen großen Hopfensack auf, etliche liefen mit ihrer Wehr in die Stube, warfen mit Bierkannen und stellten sich, als ob sie einander erwürgen wollten. Dem Mönche ward bang und er besorgte, er möchte irregularis werden, er wollte zur Stube hinaus, lief den Bauern in den Hopfensack, diese bald mit dem Sack und Mönch über das Feuer in den Rauch, legen nasse Spähne und faul Holz an, der Mönch schalt erstlich, es half ihm aber nicht, denn darüber lachten die Bauern nur hier aussen und machten sich lustig darüber, endlich gab er gute Worte, bat sehr und demüthiglich, da sagte einer: »Gut Ding, die Henne gackert, sie will Eier legen«, ein anderer sagt: »Legt sie nicht Eier, so kommt sie auch nicht aus dem Neste!« Dies währete lang, da erbarmt sich ein altes Mütterlein seiner und bringt ihm von oben heimlich vier Eier, dies erfreut den Mönch und er sagt: »Liebe Herren, ich habe vier Eier gelegt!« Aber die Bauern verstunden andere Eier, er mußte ihnen geloben eins zu essen, damit kam er aus dem Rauche und Hopfensacke, zog heim und starb, und dies blieb also, denn geistliche Leute sollen denen nicht fluchen, von denen sie das Almosen sammeln.

Zu den Bauern kam ein Jacobsbruder, ging von Haus zu Haus, bekam nicht nach seinem Willen und ging zornig in den Krug, wo er alle Bauern beisammen fand. Die schenkten ihm ein und er ward trunken. Da fing er an und sprach: »Ich bin gewest, Gott unverweist, viermal zu Rom, einmal auf St. Michaels Berg, dreimal zu St. Jacob und da habe ich die große Glocke geläutet, von Lindenblättern gemacht; welcher St. Jacobsbruder die läutet, mit einem jeglichen Anschlag erlöset er eine Seele und war solches Rühmens viel. Doch bin ich mein Tage nicht gekommen unter schalkhaftigere, verdammtere, unbarmherzigere Bauern, denn die sind in diesem Dorfe, da man mir weniger gegeben hätte denn hier. Darum in Kraft des heiligen St. Jacobs fluch ich über sie alles Unglück, den Donner und den Tod, bis so lange ich mein Gebet wieder für sie thue.« Dies verdroß die Bauern gar übel; nach Beratschlagung fragt ihn ein Bauer und sagt: »Du seliger Glöckner der wunderbarlichen Glocken zum finstern Stern, was gelüstet Dich zu essen, daß Du von uns abwendest Deinen Grimm und Zorn?« Er sagte: »Bratet mir einen guten Braten!« Die Bauern verstanden, sie sollten ihn braten, und sie nahmen ihn, banden ihn nackend an einen Wißbaum, legten ihn wie einen Braten zum Feuer, wendeten ihn um, betropften ihn mit heißer Butter, nach einer guten Weile nahmen sie ihn ab, beschütteten ihn mit kleinem Salz, und er ging vor das Dorf und starb und dies blieb auch ungestraft. Denn Bettler sollen gute Leute nicht zum Almosen drängen mit Lügen. Der Krug hieß aber seitdem »zur Höllen.«

Es kam in dies Dorf nach Landes Gewohnheit ein Kesselflicker, da schrieen ihn die Bauern im Kruge an: »Siehe da kommt ein Regenvogel!« Ein anderer sagte: »Es wird kaum fehlen, es wird ihm ein Ungewitter folgen« u.s.f. Der Kesselflicker aber ward zornig und böse, hieß sie große Verräther, ehrlose Buben. Die Bauern erdachten einen Fund und weil am vorigen Tage ein großer Schloßgaul dort gestürzt und gestorben, baten sie ihn, das Aas hinauszuschleppen, angesehn, daß Marienburg, Dirschau und Newteich mit ihren Kindern und Gesinden besetzt würden, wollten sie dieselben[599] nicht hierzu gebrauchen, Kesselflicker, Racker und Pferdeschinder wären doch in einer Gilde, sie wollten es ihm auch wohl lohnen. Da ward der Kesselflicker grimmig und sagt: »In aller dieser und jener Namen, ich bin ein redlicher Handwerksmann und wenn wir dies thun, so müßt ihr die Fische im Hintern kochen und essen!« Da nahmen ihn die Bauern und steckten ihn in das todte Pferd, ließen ihm den Kopf und rechten Arm aber heraus, gaben ihm eine Keule in die Hand, die Hunde damit abzuwehren, so lag er bis in den dritten Tag darin, wollte er heraus, so mußte er ihnen angeloben, das Aas hinauszuschleppen und so auch thun. Dies blieb auch ungestraft, denn Kesselflicker sollen gute Leute, nicht Bösewichter heißen.

Diese Bauern hatten einen frommen und gelehrten Pfarrherrn, Wolfram Lindaw genannt, der strafte sie oft in seinen Predigten, zeigte ihnen Gottes Zorn und zukünftige Strafe an, dies nahmen sich die Bauern zu Herzen, gedachten ihm es deshalb zurückzuzahlen, baten ihn zu Köstungen, Kindelbieren, Pfingst- und St. Johannisbier etc., aber er wollte niemals kommen. Nach dem Tode Conrads des Hochmeisters tranken sie ihr Gildebier, und es war die Sitte, daß, wenn eine Tonne aus war, man sie mit den Hefen ins Haus trug. Zur letzten Collation kömmt eine große Sau ins Haus unter die Tonne, wirft sie um und säuft sich an den Hefen so voll, daß sie liegen blieb, die Bauern nahmen sie und legten sie in einer finstern Kammer ins Bett, schickten dann zum Pfarrherrn und ließen ihn bitten, weil eine Person plötzlich und schwer krank geworden sei, solle er kommen und sie beichten. Als er kam, führten sie ihn in die finstere Kammer, sagten, der Kranke könne das Licht nicht leiden; die Sau liegt da auch noch, der Pfarrer aber merkt der Bauern teuflisches Vorhaben, denn sie dachten, so er sie im Kruge strafe, wollten sie es ihm redlich bezahlen. Aber er heißt sie ein wenig auf die Seite gehen, als ob er die Beichte hören wolle, nimmt die gesegnete Hostie heimlich zu sich in den Busen, läßt das leere Gehäuse stehen und sagt: »Lieben Kinder, die Person ist sehr schwach, ich kann ihr kein Wort abgewinnen, ich will hin und die heilige Oelung holen, vielleicht mag Gott ihr Gnade verleihen.« Das sind die Bauern zufrieden, er aber setzt sich auf sein Pferd und reitet zum Newenteich zu, findet allda Bruder Andreas von Weitzellen, Hauskomthur von Marienburg, dem erzählt er es. Der Hauskomthur kommt bald mit vier Knechten hin, findet den Glöckner noch mit dem Glöcklein vor dem Bette knieen, die Bauern aber sitzen beisammen und saufen, er aber schlug und hieb auf sie los. Die Bauern aber bekamen die Oberhand, nahmen den Hauskomthur und pflöckten ihn mit seinem langen Barte in ein Luftloch über die Stubenthüre und ließen ihn also hängen, die Knechte aber liefen hinaus, sprangen auf ihre Pferde und jagten nach Marienburg zu, brachten das ganze Hofgesinde auf und umringten den Krug, nach vielem Morden fingen sie die Bauern alle und führten sie nach Marienburg, wo ihrer viele im Gefängniß starben. Die andern mußten den hohen runden Thurm am Nogat bauen, den man den Butter(milchs)thurm heißt, denn da er fertig geworden war, hatten sie ihn mit Butter(milch)) statt Mörtel begossen, wovon er der Butterthurm heißt. Sie hatten sich erboten, den Weg von Groß-Lichtenau bis gen Marienburg mit guten alten Groschen zu belegen, ob er wohl eine große Meile lang ist, so man ihnen erlassen wolle, den Thurm zu bauen.[600]

Nach einer andern Sage hat der Wojewode Stanislaus Kostka ein Lägel hingeschickt, sie sollten ihm gute Mai-Buttermilch, die er gern aß, schicken, sie aber ließen ihm sagen, sie hätten jetzund keine, doch wollten sie ihm in Kurzem welche schicken. Nicht über lang schickten sie ihm mit vier Bauern eingan zes Faß voll, er aber ließ sie so lange hinsetzen, bis sie ihre Buttermilch selbst ausgetrunken hatten.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 598-601.
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