645. Wie die Fische in den Seen weggeblieben sind.

[604] (S. Hennenberger S. 343. 351.)


Als der Hochmeister Markgraf Friedrich von Meissen aus dem Lande gezogen war, da war ein Pfleger zu Passenheim, den seine Unterthanen um seines Schindens halber der Geizbauch nannten, und was er erschund, das schickte er gen Nürnberg für Harnische und Rüstungen. Seinen Bauern aber verbot er für ihren Tisch zu fischen, vorgebend, sie könnten ihres Ackers dann nicht warten, gäben auch Andern Fische, und dann könnten ihm seine Fischer den Zins nicht mehr zahlen. Die Bauern aber beschlossen doch zu fischen laut ihrer Handfeste, als er aber Leute hinschickte sie zu fahen, erschlugen sie einen von seinen Leuten. Um deswillen strafte sie aber der Pfleger an ihren besten Pferden und Ochsen, damit sie sich aber den Hals lösten, mußten sie all ihr Recht über die Fischerei hergeben. Von diesem Tage an aber vermochte der Pfleger mit seinem Garn auch nicht einen Fisch mehr zu fangen, welches er der Weidelei, aber nicht Gottes Strafe zuschrieb, er gab den Weibern Schuld, sie hätten ihm Garn und Fische bezaubert, setzte viele fest und ließ sie durch den Henker peinlich befragen, aber er fand nichts an ihnen. Nun war aber zu Königsberg ein Franke, Namens Gablatus, der konnte lange unter dem Wasser bleiben, den ließ er holen, für ein Geviertes sprang der aus dem Kahne in den See, blieb drei Stunden darin und unterdessen ließ der Pfleger mit vielen Garnen darin ziehen, fing aber nichts, Gablatus kam wieder heraus, sagte, daß viele Fische darin wären, sie wüßten sich aber gar meisterlich vor dem Garne zu hüten. Das half ihm also auch nicht und so hielt er jenen für einen leichtfertigen Menschen, der von den Bauern bestochen wäre.[604] Weil nun aber der See ihm am Meisten eingebracht hatte, dachte er weiter darüber nach und erfuhr, daß es eine Weidlerin gebe, die könne es benehmen, was Andere bezaubert hätten. Diese befragte er, sie aber sagte ihm, daß dies von Gott herkomme, der strafe ihn um seiner Ungerechtigkeit gegen die armen Leute willen und es werde auch nicht besser werden, denn er stürbe denn zuvor mit allen Fischen im See; darnach werde auch der See wiederum fischreich werden. Der Pfleger meinte aber, sie wäre auch erkauft, und ritt mit Fluchen davon. Nicht lange nachher wollte er jagen, da stieß er auf einen grausamen Bären, als dieser sich aufrichtete, erschrack sein Pferd schwer und begann auszureißen, der Pfleger aber hielt es fest, allein der Zügel zerriß und nun lief es in einem fort mit seinen Reiter bis in den See, darin Pferd und Mann ersoff. Am andern Tage fand man alle Fische darin auch todt und auf dem Wasser schwimmen. In demselben Jahre übrigens war kein einziger Fisch in diesem See, hernach aber waren Fische wieder genug darin wie zuvor. Der See aber war der Lelißkensee bei Passenheim.

Herzog Albrecht der ältere hatte einmal in einem kleinen Flüßchen nicht weit von Königsberg, so Jedermann frei und gemein war, fischen lassen und soviel Schmerlen darin gefangen, daß sich Jedermann darüber verwundert hatte. Deshalb haben etliche Räthe Sr. Durchlaucht gerathen, sie sollten verbieten, daß fortan Niemand als der Herzog in diesem Flüßlein fischen dürfe und Se. Gnaden würden Schmerlen stets soviel daraus haben, als sie wollten. Nach dem Verbote aber ist der Fisch vergangen, und wenn man nachher für den Herzog hat Schmerlen haben wollen, und ihrer zwei den ganzen Tag gefischt haben, da haben sie nicht soviel gefangen, als man einer Person vorsetzen kann, und der meiste Theil der Fische sind Stechbüttel gewesen.

Ebenso ist im Balgischen ein fischreiches Flüßlein gewesen, darin ist um einen Theil ein Streit entstanden und ein Todtschlag daraus gefolgt, der Theil nun, um welchen der Zank gewesen, hat hernach nie mehr hier einen Fisch gefangen, während doch in demselben Flüßlein oder- und unterhalb Fische genug gefangen wurden.

Ein Anderer verbot seinen Unterthanen an Niemanden als an ihn die Krebse zu verkaufen; wenn sie groß waren und ihm gefielen, gab er nur einen Groschen für das Schock, während doch die Bürger vier und fünf dafür zahlten, gefielen sie ihm aber nicht, mußten sie solche wieder nach Hause tragen. Nun ist der Krebs ganz allda verschwunden, so daß man lange fischen mußte, bis man ein kleines Gerichtlein fing, während man doch zuvor die Menge bekam.

Ein Anderer hat ohne alle Ursache seinem Seelsorger die Fischerei, so alle seine Vorfahren gehabt, entzogen. Dafür hat er aber wenig Glück gehabt, denn in drei Teichen sind ihm die Fische im Sommer alle gestorben, also daß man des Gestankes halber nicht wohl zu denselben hinkommen konnte, Hunde, Schweine, Krähen und Raben aber genug hinwegzuschleppen hatten.

An einem andern Orte in Samland hat Gott den Leuten eine Zeit lang Fische in Fülle bescheert, die gottlosen undankbaren Buben aber henkten solche an den Schwänzen auf, stäubten sie, sprechend, sie sollten sobald nicht wiederkommen. Deshalb hat ihnen Gott seinen Segen entzogen und sie hätten nun die Fische gern wieder gehabt. Es haben sich also sechs Dörfer im[605] Poberischen Kirchspiel versammelt und nach alter preußischer Gewohnheit einen Worßkaiten gewählt, zwölf Tonnen Bier gekauft, dann eine fette Sau genommen, und als nun der Worßkaite etliche abgöttische Gebete gethan hat, seine Abgötter anrufend, daß sie ihnen wieder Glück verleihen sollten, hat er die Sau geschlachtet in Beisein des Volkes beiderlei Geschlechtes aus allen sechs Dörfern, sie haben diese dann gebraten, gegessen und getrunken bis in den siebenten Tag, das Eingeweide, die Knochen und was sonst noch übrig war, aber haben sie verbrannt. Das kam vor die Herrschaft und deshalb ward dem Vogt zu Schenkaw, N. vom Drache, befohlen, sie einzuziehen und hart zu strafen, wie denn auch geschah.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 604-606.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Sagenbuch des Preußischen Staats
Sagenbuch des Preußischen Staats: Erster Band
Sagenbuch des Preußischen Staats: Zweiter Band
Sagenbuch des Preußischen Staats: Erster Band
Sagenbuch des Preußischen Staats: Zweiter Band