690. Der Wehrwolf.

[631] (S. Er. Francisci, Höllischer Proteus. Nürnberg 1695 S. 356.)


Dem Herzog Albrecht in Preußen ward einmal ein Kerl von den Bauern eingebracht, über welchen sie sich heftig beklagten, daß er ihnen ihr Vieh verderbt, ja viele in Stücke zerrissen und erwürgt habe. Es ist dies ein häßlicher Mensch gewesen, im Gesicht voll Wunden und Narben, ist auch, da er ein Wehrwolf gewesen, von den Hunden heftig gebissen worden. Als ihn nun Etliche auf den Befehl des Herzogs gefragt haben, wie es denn eigentlich damit zugegangen sei, soll er geantwortet haben, er werde des Jahres zweimal zu einem Wolfe, einmal um Weihnachten, das andere Mal um Johannis nach Pfingsten, um selbige Zeit werde er verwandelt und müsse alsdann wie ein anderer Wolf im Gehölze und wilden Walde unter und mit andern Wölfen herumlaufen, auch gleich denselben wüthen und niederreißen, bevor ihm aber die Wolfshaare wüchsen und er einen ganz rauhen Wolfspelz am Leibe bekäme, befalle ihn ein großer Schrecken und eine Traurigkeit, welche er am ganzen Leibe empfinde. Man hat es nun damals vorerst dahingestellt sein und bis auf weitern Bescheid auf sich beruhen lassen, nachmals aber hat man es doch prüfen wollen, ob nicht vielleicht ein Betrug und falsche Einbildung darunter begriffen sei, hat also sonach den Kerl eine gute Zeit im Gefängniß behalten und befohlen genau Achtung auf ihn zu geben und fleißig darauf zu merken, ob er seiner Aussage nach auf berichtete Zeit zum Wolfe werde, welches aber ausgeblieben und er nach wie vor in seiner häßlichen Bauernhaut beharrt ist.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 631.
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