726. Der See Skrzynska.

[656] (S. San Marte a.a.O. S. 152 etc.)


Zwischen den Hügeln, welche das kleine Städtchen Moszyn, etwa 21/2 Meilen südlich von Posen gelegen, umgeben, befindet sich der See Skrzynska oder Skrzyne, von bedeutender Tiefe, worin, wie man erzählt, große Schätze liegen sollen. Zur Zeit des ersten schwedischen Krieges kam nämlich ein angesehener schwedischer Offizier in diese Gegend, welcher schnell zu der Besitzerin der daselbst herumliegenden Güter eine leidenschaftliche Liebe faßte. Da sie jedoch ihm weder Gegenliebe gewähren, noch Sicherheit für ihre eigene Person im Schlosse selbst finden konnte, so faßte sie den Entschluß, seinen immer dringender werdenden Nachstellungen zu entfliehen und alle ihre Reichthümer an Kleinodien, kostbaren Geräthen und das gesammte Geld und Tafelsilber mitzunehmen. Der aufmerksame Schwede entdeckte aber unmittelbar darauf ihre Flucht und eilte ihr nach. Kaum sieht jedoch die heroische Frau[656] sich entdeckt und erkennt die Unmöglichkeit, ihrem Verfolger zu entrinnen, so befiehlt sie ihren Schlitten nach jenem See, welchen nur erst eine dünne Eisrinde bedeckte, hinzulenken. Der Schwede folgt ihr auch dorthin, schon ist er ihr ganz nahe, schon droht er sie zu ergreifen, da bricht unter ihnen das Eis und Alle versinken in den Fluthen des See's. Noch viele Jahre nachher will man eine weibliche Gestalt an den Ufern dieses See's haben herumirren sehen, verfolgt von einem Manne, der ihr unablässig nacheilt, ohne sie jemals erreichen zu können. Dann verschwand ihre edle schlanke Gestalt in den durchsichtigen Fluthen des Wassers an der Stelle, wo jene Heldin und ihr Verfolger ihr gemeinsames Grab gefunden hatten. Die Sage von den in dem See verloren gegangenen Schätzen erhielt sich aber so lebhaft im Munde des Volkes, daß der letzte Starost von Moszyn mit großem Kostenaufwande einen tiefen Graben ziehen ließ um den See abzulassen und sich so der versunkenen Reichthümer zu bemächtigen. Aber das Wasser lief nicht ab, die Schätze ruhen noch heute unangetastet in der Tiefe und die noch vorhandenen Spuren jenes Grabens sind die Zeugen seiner getäuschten Hoffnung.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 656-657.
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