736. Der Heiligenweiher.

[664] Auf der fürstlich Sigmaringischen Domaine Kremmensee im Oberamte Haigerloch befindet sich ein tiefer schwarzer See, der Heiligenweiher genannt. An der Stelle desselben soll früher ein Nonnenkloster gestanden haben, weil aber die Bewohnerinnen desselben in Ueppigkeit und Laster versanken, begab es sich, daß bei einem furchtbaren Unwetter einst sich die Erde öffnete, das Kloster in die Tiefe hinabgerissen ward und an der Stelle dieses Erdfalls sich ein See bildete. Man sagt, daß im Sommer, wenn in Folge der Dürre das Wasser sinkt, tief unten auf dem Grunde desselben das Klostergebäude noch zu erkennen ist. Zuweilen kommen aus dem See ein oder zwei Klosterjungfrauen hervor, gehen in das nahe Städtchen, kaufen dort mit alten Goldmünzen sich Nahrungsmittel oder andere Bedürfnisse ein und kehren dann nach dem See zurück. Einst folgte ein Fleischerbursche einem solchen Fräulein, da sah er unter ihrem Kleide Ziegenfüße hervorschauen und natürlich lief er angsterfüllt davon, denn er wußte nun, weß Geistes Kind das Weibsbild war.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 664-665.
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