747. Die Gründung des Klosters Stetten.

[669] Im sogenannten Gnadenthal steht noch heute das frühere Nonnenkloster Stetten, welches aber gegenwärtig eingegangen ist. Die Gründung desselben knüpft sich an folgende Sage. Zur Zeit des letzten Hohenstaufen, Conradins von Schwaben, lebte auf dem Hohenzollern ein Graf von Zollern, ein wilder und kriegerischer Mann, der weithin in den Schwabengauen ob seiner Grausamkeit gefürchtet war. Endlich aber zähmte ihn die Liebe. Einst war er auf dem Schlosse des Grafen von Dillingen zu Gaste, da sah er die schöne Tochter desselben. Sehen und Lieben war eins und schon seiner Stellung im Leben wegen erhielt er keinen Korb. Die fromme Gattin führte ihren Mann auf andere Wege und bestimmte ihn auch nach Rom zu ziehen und den heiligen Vater um Vergebung seiner Sünden zu bitten. Dieser legte ihm als Buße auf, täglich aus einem Todtenschädel als Becher zu trinken und stets auf[669] seiner Tafel eine Schlange herumkriechen zu lassen, oder aber ein Kloster zu erbauen. Er wählte das Letztere. In der Nähe des Hohenzollern stand im Thale eine Kapelle zu Ehren St. Johannis erbaut und daneben eine Linde, in deren Stamm ein Bild der Gnadenmutter eingefügt war, dorthin gingen beide Gatten oft um zu beten. In demselben Thale, aber etwas entfernt davon, wollten sie das Kloster erbauen, schon hatte man an dem erwählten Platz viel Baumaterial zusammengeschafft, siehe da lag eines Morgens Alles weg davon neben der Kapelle. Der Graf hielt dies für ein Zeichen des Herrn und baute nun das Kloster neben dem Kirchlein, das ist das Kloster Stetten gewesen, in welches die Gräfin später selbst als Nonne eintrat und wo sie am Chore vor dem Hochaltar begraben liegt.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 669-670.
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