788. Die Erbauung von Gelnhausen.

[699] (S. Schreiber, Sagen aus den Rheingegenden. Frankfurt a.M. 1848 in 32 S. 1 etc. Ruinen. Wien 1834 Bd. II. S. 32 etc.)


Der edle Hohenstaufenkaiser Friedrich der Rothbart lebte noch, bevor er Herzog von Schwaben ward, auf einer väterlichen Burg in der anmuthigen Wetterau. Er war damals erst 23 Jahre alt und in der ganzen Kraft der ungeschwächten Jugend. Nun hatte aber einer seiner Burgmänner eine wunderschöne Tochter, Gela geheißen, welche dem Jüngling eine innige Neigung eingeflößt hatte. Zwar gestand er ihr seine Liebe, allein das tugendhafte Mädchen, welches wohl einsah, wie sein Stand ihm jede Verbindung mit ihr unmöglich mache, wies ihn in bestimmten Worten ab, vermied auch, wo sie konnte, mit ihm zusammenzutreffen. Der junge Friedrich aber nahm sich diese hoffnungslose Liebe dermaßen zu Herzen, daß er sichtlich verfiel und als er eines Tages doch zufällig in einem einsamen Gehölze an der Kinzig der schönen Gela, welche dort nach Kräutern suchte, begegnete, fiel er vor Schwäche zu Boden. Dies rührte das junge Mädchen dermaßen, daß sie zu ihm trat, ihn aufrichtete und sprach: »Morgen, eine Stunde vor Sonnenaufgang, findet Ihr mich in der Burgkapelle!« Friedrich, dem vor Erwartung kein Schlaf in die Augen kam, fand sich noch vor der bestimmten Stunde an dem angegebenen Orte ein und bald erschien auch Gela. Sie nahm ihn bei der Hand und führte ihn zu einer Bank in der Nähe des Altars und sprach: »Ihr liebt mich und ich liebe Euch, allein wir zwei können nie ein Paar werden, denn Ihr müßt Euch eine Hausfrau unter den deutschen Grafen- und Herzogstöchtern suchen. Ich aber will nichts als Euere Liebe und darum schlage ich Euch vor, da ich glaube, daß Ihr derselben Ansicht seid, kommt täglich zu derselben Stunde an diesen Ort, hier können wir ohne Zeugen mit einander verkehren und die h. Jungfrau soll unsere Hüterin sein.« Zwar kam Friedrich dieses Verlangen anfangs etwas wunderlich vor, allein froh überhaupt ihrer Zuneigung sicher zu sein, gab er nach und die Liebenden sahen sich an dieser geweihten Stätte täglich ein ganzes Jahr lang. Da zog Kaiser Konrad mit dem Kreuzheere nach Palästina und Friedrich mußte ihm folgen, zum letzten Male sahen sie sich in der Kirche und gelobten sich ewige Liebe. Als nun aber der junge Held sieggekrönt aus Palästina zurückkehrte und er nach dem Tode seines inzwischen gestorbenen Vaters die[699] schwäbische Herzogskrone sich auf sein Haupt gesetzt hatte, da suchte er seine Gela auf, allein sie hatte den Schleier genommen und ihm nur einen Brief zurückgelassen, in welchem sie ihn aufforderte, sich ebenbürtig zu vermählen, da sie, wie er ja wisse, nie die seine werden könne. Dies that er auch, er wählte sich eine Gattin, die er aber niemals geliebt hat, an der Stelle aber, auf einer Insel des Kinzigflusses, wo ihm damals Gela zuerst ihre Liebe gestanden hatte, legte er den Grundstein zu einer Stadt, deren Namen Gelnhausen an seine erste und reinste Liebe erinnern sollte. Sie liegt im ehemaligen Churfürstenthum Hessen-Kassel an der Gebirgskette, welche das Rhöngebirge in Franken mit dem Vogelsgebirge in der Wetterau verbindet.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 699-700.
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