893. Die guten Hollen.

[770] (S. Landau a.a.O. S. 277.)


Zwischen Wolfhagen und Volkmarsen heißen die Wichtelmännchen die guten Hollen. Es sind dies kleine Leute mit dicken Köpfen. Sie wohnen hoch an den Berggipfeln in Höhlen, welche durch unterirdische Gänge mit den Thälern verbunden sind. Durch diese Gänge steigen sie in die Dörfer und holen aus den Häusern ihre Bedürfnisse. Was sie nicht brauchen, das geben sie denen, welchen sie wohlwollen. Sie sind im Allgemeinen gutmüthig, aber rachsüchtig, sobald sie beleidigt werden. Als einst ein Bauer seine Früchte einfuhr und sah, wie einer dieser Kleinen zu helfen bemüht war, aber nur Aehre um Aehre zur Scheuer trug und dennoch unter der Last keuchte, verspottete er ihn und wies auf seine Knechte hin, die ihre Schultern mit ganzen Garben beluden, da sprach das Männchen: »Das hättest Du denken, aber nicht sagen sollen, und er stahl ihm nun Aehre um Aehre aus der Scheune und machte den Mann arm.«

Vor der Taufe suchen sie die Kinder der Menschen zu stehlen und von den ihrigen an deren Stelle zu legen. Einst hatte ein solcher Tausch stattgefunden, das Kind hatte einen dicken Kopf, lernte nicht sprechen und spielte am liebsten in der Asche. Nur wenn die Eltern abwesend waren, kamen die guten Hollen und spielten mit dem Kinde, das dann auch sprach. Aber die Eltern, denen das Kind verhaßt war, quälten dasselbe so lange bis die guten Hollen es holten und das gestohlene wiederbrachten. Um solche Wechsel zu verhüten ist in jener Gegend, namentlich in Niederelsungen, der Gebrauch bis zur Taufe des Kindes stets ein brennendes Licht zu unterhalten. Die guten Hollen kennen übrigens alle Kräuter und ihre Kräfte, namentlich die Springwurzel, vermittelst der man alle Schlösser zu öffnen vermag.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 770.
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