1048. Der Fischwinkel.

[861] (S. Nieberding a.a.O. S. 52.)


Auf der Grenze zwischen dem Dorfe Emstecke und der Drantummer Gemeinheit-Mark, südostseits des Emstecker Esches unweit desselben im offenen Felde findet man einen von mehreren Gräben- und Wällenresten eingeschlossenen Burgplatz, welcher noch heute den Namen des Fischwinkels führt.

Der gestrenge Besitzer desselben war zugleich Eigenthümer der Niemanns Stelle und des Zehntens zu Drantum. Er wirthschaftete aber so schlecht, daß er bei seinem Tode seinen beiden einzigen Töchtern diese seine Wirthschaft in einem verschuldeten Zustand hinterließ. Aus Mangel an Vermögen und körperlichen Reizen blieben diese ehelos, wurden alte Jungfern und unfähig, ihren Unterhalt zu verdienen. Sie boten daher den Einwohnern der Bauerschaft Drantum mehrmals den Zehnten an, unter der Bedingung, ihnen dafür bis zu ihrem Tode den Lebensunterhalt zu geben, was diese aber ablehnten. Jetzt wurde ihre Noth so groß, daß sie ein Schaf stahlen, um ihren Hunger zu stillen. Sie geriethen darüber in Untersuchung, und in der Noth boten sie der Aebtissin zu Malgarten den Zehnten und ihr ganzes Vermögen an. Dieses wurde angenommen, die alten Mädchen kamen von der Strafe frei und erhielten im Kloster ihren Lebensunterhalt. So kamen die Niemanns Stelle und der Zehnten zu Drantum an das Kloster Malgarten und sind seitdem bei demselben geblieben. Die Burg zerfiel später und der Platz wurde wieder Markengrund.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 861.
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