1133. Das Grab des Johannes Parricida.

[915] (S. Neues Vaterl. Archiv Bd. V. S. 107 etc.)


In öder Gegend an der Wissinger Heide, zwischen alten Burgen, der der Grafen von Halte in Trümmern, der Ledenburg und der Schellenburg im Osnabrückschen ward zu Anfange dieses Jahrhunderts zunächst der Ledenburg eine verschüttete Sägegrube geöffnet und auf deren Grunde ein menschliches Gerippe gefunden, welches die Arbeiter wieder bedeckten, wohl wissend, daß Jahn von Oesterieke hier begraben sei. Von diesem Jahn von Oesterieke erzählen sie nun, derselbe habe mit seinen Gesellen lange bei der Ledenburg gelegen, von wo er einst ausgezogen um mit dem Tagwerden die Schellenburg zu überfallen, wo er bei der aufgezogenen Zugbrücke sich an den Ketten aufgeschwungen und den Gesellen zugerufen, ihm die Hacke zu reichen, um sie abzuschlagen. Da habe sich in der Burg ein Fenster geöffnet,[915] daraus der Herr mit Geschoß ihm zugerufen: »Teuf Du Hund ick will se die gieven« und geschossen, Jahn von Oesterieke sei in den Graben hinabgestürzt, eine Weibsperson aber, die er in seinem Gefolge gehabt, sei in lautes Wehklagen ausgebrochen und habe gerufen: »O Du Jahn, der Du so manchen Zug bestanden, mußt nun hier umkommen!« und die Gesellen haben ihn herausgezogen und zurückgetragen und zur Rache geschworen, den ersten umzubringen, der ihnen begegnen würde. Das sei zu seinem Unglück ein alter Holzsammler am Schladehauser Berg gewesen. Jahn von Oesterieke aber haben sie dann traurig an dieser Stelle begraben.

Es ist bekannt, daß im Jahre 1308 der Enkel des großen Habsburgers Johann von Oestreich, auch Johann von Schwaben genannt, den Sohn desselben den Kaiser Albrecht mit den Worten erschlug: »Hier der Lohn des Unrechts«, weil er ihm sein Erbtheil vorenthalten hatte. Er und seine Freunde verstoben in den Wäldern, die beiden Weiber aber Elisabeth und Agnes von Böhmen übten gräßliche Rache an den Kindern und Hörigen der Entflohenen. Rudolph von Palm ward von ihnen ergriffen und lag lebend drei Tage auf dem Rade. Während dieser Zeit kniete betend in Liebe und Ergebenheit sein Weib unter dem Hochgericht, bis er fest beharrend, daß Albrecht recht geschehen, starb und sie im Schmerz ihm folgte. Mit Walther von Eschenbach erlosch das edle Geschlecht des großen Sängers und mit Blut und Feuer deckten die erzürnten Königinnen das weite Land am Bodensee und vom Raube baute Agnes das Gotteshaus Königsfeld auf der Stelle, wo Albrecht erschlagen war, und blieb darin um Werke der Demuth zu üben und Almosen zu spenden. Als sie aber den alten Ritter Berchtold von Ostringen, der als Einsiedler in einer Felsenhöhle lebte, zu sich einlud, antwortete dieser: »Es ist ein schlechter Gottesdienst aus dem Raube Klöster zu stiften, Gott hat Gefallen an Gütigkeit und Erbarmung.« Was aus Johann von Oestreich selbst geworden, darüber sind die Geschichtschreiber uneinig. Allein Thomas von Hasselbach erzählt, er habe oft zu Wien am Neuen Markte einen blinden Bettler gesehen, der sich für Johannes Sohn ausgegeben, den er mit einer Frauensperson erzeugt, die er in den Wäldern mit sich geführt. Es scheint nun, daß jener Johann von Schwaben und dieser Jahn von Oesterieke eine und dieselbe Person waren. So erklärt sich auch der Umstand, wie es kommt, daß eine Bauerschaft Oesterrich in der Grafschaft Limburg in der Mark liegt und nach einem alten Lehnbuche des Stiftes Herdike Güter darin von diesem zu Lehne rührten, deren eins sogar einem gewissen Johann Smyt gegen Ende des 15. Jhdts. verliehen worden war.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 915-916.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Sagenbuch des Preußischen Staats
Sagenbuch des Preußischen Staats: Erster Band
Sagenbuch des Preußischen Staats: Zweiter Band
Sagenbuch des Preußischen Staats: Erster Band
Sagenbuch des Preußischen Staats: Zweiter Band