1135. Thedel von Wallmoden und sein Zauberroß.

[917] (Nach einem alten Volksliede [Magdeb. 1558 in 8°.] in d. Knaben Wunderhorn Bd. II. S. 302-318 im Auszug b. Reichard, Beitr. z. Beförd. einer näh. Einsicht in d. Geisterreich. Helmstädt 1781 Th. I. S. 603-638 u. Neues Vaterl. Archiv Bd. V. S. 177 etc. Horst's Zauberbibliothek Bd. II. S. 292 etc.)


Das Geschlecht derer von Wallmoden ist ein althannöversches. Es giebt nun eine Sage von einem gewissen Thedel von Wallmoden, der in seinem 18. Jahre einst einer Taufe beiwohnte und von der heiligen Handlung so gerührt ward, daß er dem Priester sagte, wenn er wüßte, daß er ebenso getauft worden sei, so wolle er sich vor nichts in der Welt, selbst vor dem Teufel nicht fürchten. Der Priester versicherte ihm nun, daß er ihn vor 18 Jahren ebenso getauft habe, und da erwiderte der junge Thedel, da er das wisse, wolle er nun mit dem Teufel selbst in Gottes Namen anbinden. Der Teufel aber sann nach, wie er den Unverschämten zu Falle bringen könne.

Ein Paar Tage nach der Taufe befand sich Thedel allein mit seinem Schreiber im Felde bei der sogenannten Hahr auf der Jagd, da kamen auf einmal viele Reiter hergeritten, unter denen er mehrere Bekannte und auch seinen unlängst gestorbenen Herrn Gevatter auf einer schwarzen dreibeinigen Ziege reitend erblickt. Dieses Gevatters aber bediente sich der Teufel als eines alten Bekannten, um den Ritter vermittelst eines schwarzen Streitrosses in sein Netz zu locken. Der Gevatter aber, aus alter Liebe zu Thedel, giebt demselben einige Winke über das Vorhaben des Teufels, ihm, sobald er das stolze Roß werde bestiegen haben, den Hals umzudrehen, und wie er der List des Bösen nicht allein entgehen, auch denselben um das Roß prellen könne. Er solle sich, wenn er Lust habe das heilige Grab zu sehen, hinter ihm auf die dreibeinige Ziege schwingen, dürfe aber unterwegs kein Wort sprechen, sonst werde ihm der schwarze Mann den Hals umdrehen, und wenn er zum heiligen Grabe gekommen sein werde, dann solle er absteigen und dasselbe sich wohl ansehen, er könne auch bis zur andern Nacht bleiben, wenn aber der Kirchring[917] zum dritten Male umgedreht werde, so müsse er umkehren und sich gar nicht fürchten, sonst werde ihm abermals der schwarze Mann den Hals umdrehen. Thedel antwortete, wo er ihn unversehrt nach der heiligen Stadt zu bringen verspreche, da wolle er mit dem Teufel um sein schwarzes Pferd ringen. Thedel verließ nun seinen Schreiber, schwang sich auf die dreibeinige Ziege und war auch im Nu in Jerusalem. Hier sah er das heilige Grab, beichtete und bat zu Gott, er möge ihm gegen die List des Bösen in seinen Schutz nehmen und es ihm gelingen lassen, sich in den Besitz des schwarzen Pferdes zu setzen. Vor der Abreise verfügt er sich aber in die Kirche, der Gevatter dreht den Kirchring um, damit der Ritter wachend bleibe, und räth ihm, dem Teufel erst nach Verlauf einer Stunde zu antworten. Der Teufel kommt auch und dreht am Kirchring zum ersten und zweiten Male und fragt Thedeln, ob er nicht gern das schwarze Roß besitzen wolle. Thedel schweigt, nun dreht der Teufel in der letzten Minute der verhängnißvollen Stunde zum dritten Male am Kirchringe und fragt ihn wieder, ob er das Pferd haben wolle, Thedel aber ruft nach Verfluß der letzten Minute, ja er wolle es. Da erschrickt der Teufel, weil er sich geprellt sieht, und giebt ihm das Pferd. Thedel schwingt sich darauf und ist wieder in einem Augenblicke in der Hahr, bei seinem Schreiber, der indessen vor Schrecken und Sorgen in einer Nacht eisgraue Haare bekommen hatte. Der Schreiber bewundert das Pferd und Beide reiten nun nach Königslutter, wo Thedels Knechte mit Verwunderung das stolze Thier in Empfang nehmen, aber nicht mit demselben umzugehen wissen. Nur Thedel allein kann es in den Stall ziehen und anbinden; es fraß nur glühende Kohlen und Dornreiser. So hatte Thedel das Pferd in seinen Händen, es sollte aber verhängnißvoll mit seinem ganzen Leben verknüpft bleiben, denn wenn er erzählen würde, woher er es bekommen, müsse er den dritten Tag darauf sterben.

Thedel zieht nun zu allen Turnieren und erhält durch eigene Tapferkeit und seines Pferdes Muth und Behendigkeit den Preis. Vorzüglichen Ruhm aber erwirbt er sich am Hoflager Heinrich's des Löwen, wo jedoch der Neid gegen ihn rege wird. Ein Höfling bemüht sich den Herzog zu überreden, Thedel verdanke den Ruhm nur seinem Pferde und sei persönlich nicht so unerschrocken als er sich rühme, der Herzog möge morgen auf dem Kirchwege ein zartes Federchen in die Haare seines Bartes stecken, da werde sich Thedel fein höflich gegen ihn hinneigen um ihm die Feder vom Barte wegzunehmen, alsdann solle ihn der Herzog geschwind in die Hand beißen, da werde Thedel gewiß schnell seine Hand zurückziehen und vor Schreck vergehen. Dies that der Herzog auch, allein es kam ganz anders, denn statt daß Thedel seine Hand zurückzog, gab er dem Herzog einen gewaltigen Backenstreich und sprach: »Seid Ihr denn ein Hund geworden, daß Ihr mich beißt? Hättet Ihr dies nicht gethan, hättet Ihr auch von mir keinen Schlag bekommen!« Der Herzog aber verlor seine Fassung nicht und sprach edelmüthig: »Uns ist recht geschehen, wir haben uns von einem Narren täuschen lassen und darum haben wir auch Narrenlohn bekommen, wir erklären Dich für einen tapfern und unerschrockenen Rittersmann!« den Höfling aber wies er aus seinem Lande.

Hierauf zog nun Thedel nach Liefland und trat in den Orden der Schwertritter. Auch hier verrichtete er große Thaten und zwang die Litthauer[918] zur christlichen Religion. Aber auch seine Stunde kam, denn da des ganzen Heeres Neugier auf das schwarze Pferd gerichtet war, das sich so unwiderstehlich im Schlachtgetümmel erwies, verlangte der Ordensmeister bei Gehorsampflicht von ihm Kunde über das schwarze Pferd. Thedel, der nicht widerstehen kann, bittet um 14 Tage Frist, bestellt sein Haus, beichtet und empfängt das Abendmahl. Am 14. Tage gesteht er dem Ordensmeister, daß das schwarze Pferd ein Teufelsgespenst sei, welches er auf einer Reise zum heiligen Grabe vom Teufel zum Geschenk erhalten habe, und wie ihm vorausgesagt war, am dritten Tage nachher entschlief er in Christo mit den Worten: »O Gott in Deine Hände befehle ich armer Sünder meinen Geist.«

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 917-919.
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